Kreissparkassen-Bilanz

Keine Minus-Zinsen für die Masse der Kundschaft

Der KSK-Vorstand ist trotz rückläufigem Zinsüberschuss zufrieden mit dem Geschäftsjahr 2016. In dem wurde so viel Geld wie noch nie an Häuslebauer und Unternehmen ausgeliehen.

08.04.2017

Von Volker Rekittke

Der KSK-Vorstand ist zufrieden mit 2016 (von links): Jürgen Ferber, Christoph Gögler und Hans Lamparter.Bild: Faden

Der KSK-Vorstand ist zufrieden mit 2016 (von links): Jürgen Ferber, Christoph Gögler und Hans Lamparter.Bild: Faden

„Wir leben in einer verkehrten Welt“, sagt Christoph Gögler. 0,4 Prozent Zinsen müssen Banken und Sparkassen seit März 2016 an die Europäische Zentralbank (EZB) zahlen, wenn sie Geld kurzfristig dort parken. Der Vorsitzende des Kreisparkassen-Vorstands spricht angesichts der anhaltenden Niedrig- und nun sogar Negativzinspolitik der EZB von einem „erheblichen Ertragsdruck“ für sein Geldinstitut.

Keine Frage: Es sieht mau aus im Zinsgeschäft, aus dem noch vor gar nicht allzu langer Zeit 90 Prozent der Erträge stammten. „Welche Zinsen?“ fragt Vorstandskollege Hans Lamparter trocken. Der Kreissparkasse fehlt schlicht die Marge im Kundengeschäft. Hinzu kommen fehlende Zinserträge für das erhebliche und vom Gesetzgeber geforderte Eigenkapital der Sparkasse, 2016 immerhin 454 Millionen Euro (422 Millionen in 2015). Klar ist: Weitergeben will der Vorstand die negativen Zinsen nicht, jedenfalls nicht an die Masse der Kundschaft. „Wir können keine Minuszinsen verlangen, weil uns sonst die Bude eingerannt wird“, sagt Gögler. Dann würde viel Geld unters Kopfkissen wandern, die Wohnungseinbrüche dürften zunehmen. Schlimmer noch als die möglicherweise ansteigende Kriminalität wäre ein Szenario, für das die Bilder vom Herbst 2007 stehen. Damals bildeten sich lange Schlangen vor den Filialen des britischen Baufinanzierers Northern Rock. Auch Gebühren für Auszahlungen am Geldautomaten sind nicht geplant. Allerdings verlangt die KSK seit einiger Zeit Negativzinsen von Anlegern, die große Summen im sicheren Hafen Kreissparkasse unterbringen. Mit jedem einzelnen dieser Kunden werde geredet. Es mache einen Unterschied, ob jemand große Summen über längere Zeit einfach so auf seinem Geldmarktkonto parkt und sonst nichts mit dem Institut zu schaffen hat, oder ob er langjähriger Geschäftspartner ist. Doch egal ob groß oder klein: „Allein mit dem Zinsgeschäft werden Anleger nicht glücklich“, sagt Lamparter. Die Inflation frisst die Ersparnisse auf. Weshalb er zu einer Streuung des Geldes rät, etwa in Aktien, Fonds, Immobilien, auch der gute alte Bausparvertrag wird immer noch nachgefragt.

Trotz aller Schwierigkeiten samt Rückgang des Zins- und Provisionsüberschusses von 130 Millionen (2015) auf zuletzt 125 Millionen Euro: „2016 war ein zufriedenstellendes Jahr“, sagen unisono Gögler, Lamparter und Jürgen Ferber, der dritte im Vorstandsbunde: Der Jahresüberschuss lag nahezu unverändert bei 2,5 Millionen Euro. Und mit 16,5 Millionen Euro war die KSK auch 2016 einer der größten Steuerzahler im Kreis Tübingen – etwa die Hälfte dürften als Gewerbesteuer unmittelbar den Kommunen im Landkreis zugute kommen.

Das Kreditvolumen erreichte mit fast 3,4 Milliarden Euro einen neuen Rekordstand (+4,5 Prozent) – jeweils etwa hälftig im Bereich private Immobilienkredite (1,8 Milliarden) und Unternehmenskredite (1,6 Milliarden). Insgesamt wurden neue Kredite in Höhe von 715 Millionen Euro zugesagt. Die Kundeneinlagen blieben mit einem Volumen von knapp 3,5 Milliarden Euro stabil. Die Bilanzsumme lag mit knapp 4,8 Milliarden Euro leicht unter der des Vorjahres.

Längst hat das Institut andere Einnahmequellen jenseits des Zinsgeschäfts erschlossen, etwa bei Immobilien, Versicherungen, Altersvorsorge, bei Aktien- und Fonds. Verstärkt wurde auch die Betreuung von Kunden mit gutem Einkommen und Vermögen.

Schon vor zwei Jahren wurde beschlossen, etliche Filialen zu schließen – was mit dem Kostendruck zu tun hat, aber auch mit verändertem Kundenverhalten im Internetzeitalter. 36 Filialen wird es am Jahresende noch im Kreis Tübingen geben, fünf weniger als vor Jahresfrist. Dazu kommen 22 SB-Standorte, von denen etliche zugleich mit immer mehr Automaten ausgestattet werden, etwa zum Geldeinzahlen rund um die Uhr.

Auch die Zahl der Mitarbeiter/innen sinkt – zuletzt um 36 auf nun 936. Insgesamt, auch das ist Teil der Strategie, sollen mittelfristig 100 bis 120 jener 2015 noch vorhandenen 972 Arbeitsplätze gestrichen werden – ohne Kündigungen, sondern mittels Fluktuation oder Vorruhestandsregelungen.

Bleibt die Frage: Gibt es schon eine Immobilienblase in Tübingen, kündigt sich eine an? Das ist selbst für einen Kreissparkassenvorstand nicht so einfach zu beantworten. Obschon die KSK viel mit Immobilien zu tun hat: Bei den Wohnungsbaukrediten ist sie die regionale Nummer eins, zwei von drei Immobilien im Landkreis werden von der KSK finanziert. Zudem wurden 2016 vom Institut insgesamt 113 Wohnungen oder Häuser vermittelt. Die Nachfrage ist stets viel größer als das Angebot.

Und die Immobilienblase? Einerseits achtet die KSK auf eine solide Finanzierung beim Häuslebau oder -kauf: 90 Prozent der Darlehensnehmer hätten 20 Prozent Eigenkapital plus das Geld für Grunderwerbssteuer, Makler und Notar, also weitere 10 Prozent, so Lamparter. Andererseits: In Tübingen werden teils Phantasiepreise verlangt. 6000 Euro pro Quadratmeter im renovierten Altbau, auch das gibt es hier. Lamparter: „Die Preise sind sehr hoch.“

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Erstellt:
08.04.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 08.04.2017, 01:00 Uhr

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