Schatz des Monats

Kein Mädchen, sondern eine Göttin

Die sogenannte „Peploskore“ erntet Ruhm unter falschem Namen.

30.08.2017

Von Kathrin B. Zimmer

Etwa 1,20 cm hoch, aus weißem Marmor, den erhobenen Kopf geradeaus, den Blick der großen Augen in die Ferne gerichtet, die langen Locken auf die Brust herabfallend, das Kleid bis zu den Knöchel hängend – so kennen wir die „Peploskore“, eines der berühmtesten archaischen Mädchenbilder der Athener Akropolis (Abb. 1). Bei ihrer Auffindung im 19. Jahrhundert erhielt sie schnell ihren Namen, der übersetzt nichts anderes heißt als „Mädchen mit Peplos“. Ein Peplos war in griechischer Zeit ein geläufiges Mädchengewand mit einem einfachen rechteckigen Schnittmuster, das – richtig gegürtet – seiner Trägerin vergleichsweise große Bewegungsfreiheit verlieh. Der Peplos war deshalb ein beliebtes Mädchengewand.

Sieht man sich die um 520 v. Chr. entstandene Statue jedoch genauer an, dann wird deutlich, dass die Dargestellte keineswegs einen Peplos trägt. Allerdings reicht ein Blick mit bloßem Auge hier nicht aus. Hinzuziehen muss man Aquarelle, die im 19. Jahrhundert bei Auffindung der Statue auf der Athener Akropolis angefertigt wurden. Dazu kommen Aufnahmen mit Streif- und unter UV-Licht, welche die ehemals farbigen Gewandmuster sichtbar machen und rekonstruierbar werden lassen (Abb. 3). Zuunterst trägt die Kore ein in engen Falten weich fallendes Gewand, das nur auf Höhe der Knöchel zu sehen ist. Darüber folgt ein enganliegender, weitgehend faltenloser Rock, der in der Front eine durchgehende senkrechte Bordüre mit unterschiedlichen Fabeltieren zeigt. Das oberste dieser scheinbar gestickten Tiere – eine Sphinx – wird von der darüber liegenden Gewandschicht in Teilen überschnitten: Ein nach Art eines Bademantels vorne geöffnetes, um die Hüfte gegürtetes Gewand hängt exakt so lang herab wie der bestickte Rock. Darüber trägt die junge Frau abschließend einen kurzen, wie einen Poncho geschnittenen Schultermantel mit einer breiten Bordüre am unteren Saum. Infolge ihrer auffallenden Kleidung wurde die Statue in der jüngeren archäologischen Forschung als Göttin bezeichnet und durch Vinzenz Brinkmann in einer Rekonstruktion mit einem Strahlenkranz sowie Pfeil und Bogen in den Händen ergänzt. Auch wenn diese These nicht vollständig gesichert ist und weiterhin die Frage im Raum steht, ob es sich bei dem Standbild um eine Götterstatue oder vielmehr um ein Weihgeschenk an eine Gottheit handelt, so lässt sich nicht leugnen, dass die Skulptur zu einem Aushängeschild der antiken Farbigkeit geworden ist. Die Frage nach der Farbigkeit antiker Marmorskulpturen, wie sie im 19. Jahrhundert angesichts der Grabungsfunde aufkam und in der Folge hitzig diskutiert wurde, beschäftigt die archäologische Forschung seit den 1980er Jahren verstärkt.

Moderne Techniken lassen aufgemalte Ornamente in ihren Umrissen erkennen, und es ist möglich, kleinste Rückstände von Farbpigmenten zu finden und ihre Zusammensetzung zu bestimmen. In Rekonstruktionen werden diese nachgewiesenen Farben auf Gipsabgüsse übertragen, um dem Betrachter einen Eindruck vom ursprünglichen Aussehen antiker Skulpturen zu vermitteln.

Unter dem Namen „Bunte Götter“ gehen seit 2003 zahlreiche, auf den Forschungen von Vinzenz Brinkmann basierende und durch Ulrike Koch-Brinkmann umgesetzte Rekonstruktionen in einer immerwährenden und sich stets wandelnden Sonderausstellung um die ganze Welt. Vor zwei Jahren waren die „Bunten Götter“ im Schloss Hohentübingen zu Gast. Doch nicht allein im Umfeld dieser Wanderausstellung ist antike Farbigkeit bis heute ein spannendes Forschungsthema, sondern ebenso an vielen archäologischen Instituten wie die Tübinger Rekonstruktion der Peploskore anschaulich belegt, die Sönmez Alemdar im Jahr 2004 auf Anregung von Thomas Schäfer ausführte.

Beim Gipsabguss der Peploskore sind die Gewandschichten schwierig zu erkennen. Bild: Universität Göttingen

Beim Gipsabguss der Peploskore sind die Gewandschichten schwierig zu erkennen. Bild: Universität Göttingen

Die Tübinger Rekonstruktion der Peploskore (Sönmez Alemdar, 2004)Bild: Zachmann, Institut fürklassische Archäologie

Die Tübinger Rekonstruktion der Peploskore (Sönmez Alemdar, 2004)Bild: Zachmann, Institut für klassische Archäologie

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Erstellt:
30.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 43sec
zuletzt aktualisiert: 30.08.2017, 01:00 Uhr

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