Eine offene Rechnung

Joachim Löw hat bis heute an der Niederlage 2012 gegen Italien zu knabbern

Das Viertelfinale am Samstag gegen Italien kommt Joachim Löw gerade recht. Er hat gegen diesen Gegner noch was gutzumachen.

29.06.2016

Von GEROLD KNEHR

Mit klarem Blick auf das Viertelfinale gegen Italien: Joachim Löw im Mannschaftsquartier am Genfer See. Foto: dpa

Mit klarem Blick auf das Viertelfinale gegen Italien: Joachim Löw im Mannschaftsquartier am Genfer See. Foto: dpa

Evian-les-Bains. „Ich freue mich. Wahnsinnig.“ Das Viertelfinale am Samstag um 21 Uhr in Bordeaux elektrisiert Joachim Löw schon jetzt. „Wahnsinnig“ – dieses Wort nahm der Bundestrainer gestern bestimmt ein Dutzend Mal in diesem Zusammenhang in den Mund. Was beweist: Dieses Spiel ist nicht nur ein vorweggenommenes Finale. Für Joachim Löw ist es sogar noch mehr.

Nicht nur wegen der Statistik. Noch nie hat Deutschland bei einem WM- oder EM-Turnier gegen die Fußballer vom Stiefel gewonnen. Bei acht Aufeinandertreffen kam die Nationalelf in der Gruppenphase viermal zu einem Unentschieden. Dreimal stand man sich in einem Halbfinale gegenüber, bei der WM 1982 sogar im Endspiel. Alle diese entscheidenden Begegnungen verlor Deutschland.

Die Erinnerung an die vergangene Europameisterschaft vor vier Jahren in Polen und der Ukraine ist noch frisch. Damals trafen sich die beiden Rivalen in Warschau im Halbfinale. Mario Balotelli schoss Italien mit seinen beiden Treffern 2:0 in Führung, am Ende stand es 2:1. Die Italiener zogen ins Finale ein, das sie gegen Spanien 0:4 verloren. Was sie nun bei ihrem Sieg im Achtelfinale ein wenig korrigieren konnten.

Löw hatte sich vor vier Jahren im Halbfinale gegen Italien mit seiner Taktik verzockt. Sein Plan, den damaligen Mittelfeldlenker Andrea Pirlo aus dem Spiel zu nehmen, indem er Toni Kroos quasi als Manndecker auf den italienischen Mittelfeldlenker abstellte, ging nicht auf. Es war in den zehn Jahren, in denen Löw für die Nationalmannschaft verantwortlich ist, die bitterste Pleite. „Ich habe Fehler gemacht. Das muss ich verantworten. Diese Niederlage hat mir weh getan, sie war für mich viel schwerer zu verschmerzen als die Niederlage im Finale gegen Spanien vier Jahre zuvor. Das war mir eine Lehre“, so bekannte Löw gestern. „Wenn man 0:2 zurückliegt, ist klar, dass man nicht mehr viele Chancen hat. Da verstehen es die Italiener auch, den Ball auf die Tribüne zu jagen und dabei zu lächeln.“

Vor den Italienern, die bei dieser Europameisterschaft die älteste Mannschaft stellen, hat Löw mit dem im Schnitt jüngsten Team aller teilnehmenden Nationen auch jetzt noch den allergrößten Respekt. „Die Italiener machen die Räume so eng, dass selbst die Spanier nicht durchkamen“, weiß Löw nicht nur um die Defensivstärke des nächsten Gegners. „Mittlerweile können sie auch in der Offensive punkten. Das Spiel wird eng, der Ausgang ist offen. Aber wir haben kein Italien-Trauma. Das Zutrauen in unsere Leistungsfähigkeit ist groß. Die Vergangenheit ist kalter Kaffee. Ein frischer Espresso ist besser. Wir müssen schauen, dass der uns am Samstag gut schmeckt.“

Im Nachhinein findet Löw an der Pleite im Halbfinale der EM vor vier Jahren in Warschau sogar etwas Positives. „Ich habe rekapituliert, was damals passiert ist. Diese schmerzliche Niederlage hat mir 2014 bei manchen Überlegungen geholfen. Sie war für mich eine gute Lehre.“ Löw wurde in Brasilien Weltmeister – und an diesem Samstag möchte er erneut beweisen, dass er ein wahrer Meistertrainer ist.

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Erstellt:
29.06.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 35sec
zuletzt aktualisiert: 29.06.2016, 06:00 Uhr

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