Jahrhundertfrauen

Jahrhundertfrauen

Autobiografischer Spielfilm von Mike Mills über seine Mutter, die sich von der Erziehung ihres 15-jährigen Sohnes überfordert fühlt.

19.04.2017

Von Dorothee Hermann

Jahrhundertfrauen

Sie ist eine der entspanntesten Alleinerziehenden, die man je gesehen hat. Dorothea (Annette Bening) bleibt sogar cool, als vor dem Supermarkt das Auto der Familie in Flammen aufgeht, und das, obwohl es ein Erinnerungsstück ist: „Das war der Ford Galaxy von meinem Mann.“

Das unaufgeregte Lebensgefühl passt zur Zeit: 1979 im kalifornischen Santa Barbara. Die schräge Weite, die Flower-Power-Verrücktheit sirrt im Hintergrund-Soundtrack. Die 55-jährige Dorothea mag lieber klassische Musik. Sie lebt getrennt, hat alles im Griff und entspannt sich am liebsten bei einer Zigarette. Ihre Jahrhundertwendevilla braucht nur ein bisschen handwerkliche Zuwendung, um bunter als einst in neuem Glanz zu erstrahlen.

Sohn Jamie (kann es locker mit den Stars aufnehmen: Lucas Jade Zumann) ist 15 und entdeckt gerade den Punk. Seine Mutter zweifelt, ob sie allein genügt, um einen zeitgemäßen Mann aus ihm zu machen. Also bittet sie ihre künstlerisch begabte Untermieterin Abbie (Greta Gerwig) und eine 17-jährige Freundin des Hauses (Elle Fanning als Julie), Jamie ein bisschen was über das Leben beizubringen.

US-Regisseur Mike Mills („Beginners“) vermeidet dramatische Konflikte. Er schickt die Figuren (häufig in Zweierkonstellationen) lieber in beiläufige Alltagssituationen, die einen eigenen Sog entwickeln. So erfährt man, was Dorotheas Griff zur Zigarette über ihre Sozialisation und ihre Kinovorlieben (Humphrey Bogart!) verrät, und dass eine Begleitperson für den düstersten Club der Stadt manchmal wichtiger ist als große Lebensfragen.

Obwohl er noch ein bisschen kindlich wirkt, kann Jamie so leicht keine/r etwas vormachen. Er findet die feministischen Bücher über weibliche Sexualität spannend, die Abbie ihm gibt. Doch vorerst ist er einfach bittere zwei Jahre jünger als Julie, die er anbetet, die aber ihrerseits weiterhin nur den klugen Freund in ihm sehen möchte: „Es war viel einfacher, als du mich noch nicht sexy gefunden hast.“

Nebenbei führt die autobiografisch inspirierte Komödie zurück in ein angenehm untrumpisches Amerika, das nur einen Wimpernschlag entfernt scheint. Sehr hübsch ist auch die Siebziger-Jahre-Ausstattung mit Lampen in Pilzform und farbenfrohem Quilt als Tagesdecke (ab 0).

Liebevoll-amüsierte Rückblende auf eine Mutter und ihren Teenie-Sohn im Kalifornien der 1970er Jahre.

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Erstellt:
19.04.2017, 08:42 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 05sec
zuletzt aktualisiert: 19.04.2017, 08:42 Uhr

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