In Berlin brach das Schwäbische heraus

„Isch des bio?“ Die „Prenzlschwäbin“ Bärbel Stolz ist in Mössingen und Rottenburg

Schauspielerin Bärbel Stolz ist seit zwei Jahren als „Prenzlschwäbin“ ein Internet-Star. Am Freitag steht sie in Mössingen auf der Bühne, am Sonntag in Rottenburg – mit den Figuren aus Buch und Clips.

30.03.2017

Von Michael Sturm

Der gehasste Schwabe ist nur fiktiv, sagt sie: „Prenzlschwäbin“ Bärbel Stolz. Pressebild Agentur

Der gehasste Schwabe ist nur fiktiv, sagt sie: „Prenzlschwäbin“ Bärbel Stolz. Pressebild Agentur

Hallo Frau Stolz! Am Vorabend dieses Gesprächs haben Sie in Freiburg gespielt. Wie wurden Sie als Schwäbin denn von den Badenern empfangen?

Ich hab‘ mich ganz toll gefreut: Das E-Werk war richtig voll. Ich habe gleich am Anfang gesagt: Für die Berliner ist alles südlich von Hannover Süden.

Haben Sie das für sich auch schon angenommen?

Wenn man im Schwäbischen von Ort zu Ort fährt, gibt‘s ja auch schon große Unterschiede. Je weiter man davon weg ist, desto näher ist man sich.

Sie sind in Esslingen geboren. Da wird das Honoratioren-Schwäbisch gepflegt. Aufgewachsen sind sie in Hayingen. Da spricht man ...

... das grottenbreite Älblerisch.

War das ein Hindernis auf ihrem Weg zur Schauspielerin?

Ich kann ruckzuck umswitchen. Meine Mutter stammt aus München, mein Vater ist Schauspieler. Zu Hause haben wir hochdeutsch gesprochen. Aber ich habe im Sommertheater meines Vaters mitgespielt. Da wurde Schwäbisch gesprochen. Ich bin praktisch zweisprachig aufgewachsen.

Im wunderschönen Hayinger Naturtheater arbeitete ihr Vater Martin Schleker junior ja bevorzugt mit Laiendarstellern.

Er hat historische Stoffe in historische Bezüge gesetzt. Irgendwie habe ich sein Erbe angetreten: Er hat den Leuten auf liebevolle Weise einen Spiegel vorgehalten und sich so am Schwabentum abgearbeitet. Das mache ich mit der Prenzlschwäbin auch.

Je weiter man weg ist, desto näher ist man sich, sagten Sie vorher. Haben Sie in der Hauptstadt Sehnsucht nach dem Dialekt bekommen?

Nach dem Abitur wollte ich weg. Dass ich in Berlin gelandet bin, war Zufall oder Schicksal. Dass dort kein Schwäbisch gesprochen wird, war mir recht. Ich wollte als Weltenbürgerin mit der Großstadt verschmelzen. Aber irgendwann brach das Schwäbische wieder raus.

Und heute?

Meine Kinder kriegen das Schwäbische mit. Die ziehen ihr Kittele an, früher gab‘s das Fläschle. Mein fünfjähriger Sohn macht ganz toll Spätzle mit mir. Das ist eine Familienproduktion: Mein Mann muss den Teig schlagen. Mein Sohn presst ihn zusammen mit mir durch und er schöpft die fertigen Spätzle ab.

Ist ihr Mann auch ein Schwabe?

Mein Mann ist Rheinländer – das passt super! Er findet den schwäbischen Akzent süß. Das ist schon wichtig.

Gibt es da keine grundlegenden Mentalitäts-Unterschiede zwischen den katholischen Rheinländern und ihrem Hang zur Opulenz und den evangelisch-pietistischen Schwaben?

Ich bin ja in einer katholischen Gegend aufgewachsen, aber evangelisch getauft – meine Mutter stammt aus einer Pfarrersfamilie. Mein Vater ist katholisch. Ich fand als Kind die katholische Kirche spannender, mit dem Weihrauch und den weißen Kleidchen. Mein Mann wuchs zwar im Rheinland auf, ist aber evangelisch getauft.

In Berlin ist das ohnehin kein Thema, die Stadt ist ja überkonfessionell. Leben Sie tatsächlich im angeblich von Schwaben übernommenen Stadtteil Prenzlauer Berg?

Ich lebe seit vielen Jahren dort. Ich bin vor 20 Jahren, als ich nach Berlin kam, dorthin gezogen. Damals war es eine Gegend im Umbruch. Da musste man aufpassen, dass einem nicht ein Balkon auf den Kopf fiel. Einmal habe ich geträumt, dass mich eine Pferdeherde überrennt. Ich bin aufgewacht und habe festgestellt, dass nebenan Bauschutt abgeladen wurde. Später bin ich mal nach Kreuzberg gezogen. Jetzt wohne ich aber wieder im Prenzlauer Berg. Aber Konfrontationen mit Schwaben habe ich nie mitbekommen.

Seltsam. Die Berichterstattung der letzten fünf Jahre lässt ständige Anfeindungen vermuten.

Das ist nicht so. Der Schwabenhass bezieht sich auf einen fiktiven Schwaben, wie es die Prenzlschwäbin sein könnte. In dieser Figur konzentrieren sich alle negativen, anstrengenden Eigenschaften, die mit Schwaben assoziiert werden. Die Berliner können die Schwaben eigentlich gut leiden. Sie sind ihnen ähnlicher, als sie zugeben würden. Das typisch Preußische halt, bis hin zur Kehrwoche.

Ihr neuester Clip „Shit don‘t say“ ist eine Ansammlung dieser Klischees.

Es ist eigentlich die Antwort auf den Clip „Shit Prenzlschwaben say“, der vor zwei Jahren so erfolgreich war.

Sie sind Schauspielerin. Mit diesen Clips zeigen Sie ihr Gesicht auf eine ganz andere Art und Weise. Ist es denn nicht ein Risiko, auf der Comedy-Schiene abgestellt zu werden?

Isses. Es ist aber auch eine Chance. Glück gehört auch dazu, wenn man eigene Sachen produziert und sie der ganz demokratischen Abstimmung „gefällt mir / gefällt mir nicht“ überlässt, ehe alles seinen Weg geht. Das mit der Comedy ist zweischneidig. In Deutschland wird man in Schubladen gesteckt. Ich habe damals Warnungen bekommen, dass man mich nicht mehr als ernsthafte Schauspielerin ansehen würde. Das hat mich verunsichert und geärgert. In Amerika würde es heißen: Die kann auch das!

Die Prenzlschwäbin wurde zum Über-Nacht-Erfolg. Wie gingen Sie damit um?

Ich habe immer von Tag zu Tag reagiert. Meine Tochter war gerade vier Monate alt, als der Clip herauskam, der so durch die Decke ging. Bald danach gab es Buch-Anfragen und Anfragen für die Bühne. Ich bin einfach mitgegangen. Ich mache das, so lange es den Leuten und mir Spaß macht – und das macht es. Das Feedback ist super. Ich arbeite gerade sogar an einem Kinofilm. Mein Bruder, der, wie mein Mann, die Prenzlschwäbin mit ertüftelt hat, schreibt das Drehbuch. Wir sind gerade an der zweiten Fassung.

Hat der Erfolg des Films „Die Kirche bleibt im Dorf“ geholfen, der den oft hintersinnigen Humor der Schwaben an den Tag legte?

Total! Die Schwaben genieren sich jetzt nicht mehr so, wenn man ihren Akzent durchhört.

Allein die Frage „Isch des bio?“ verrät ja schon unglaublich viel über die Leute aus dem Ländle. Sind wir Schwaben wirklich so?

Nehmen wir die Mülltrennung. Das wird nirgendwo anders so akribisch gemacht wie in Baden-Württemberg. Ich mag das Öko eigentlich ganz gern, wenn es nicht so verkniffen zur Schau gestellt wird.

Wenn Sie schon ganz in der Nähe aufgewachsen sind, haben Sie einen Bezug zum Kreis Tübingen?

In Tübingen habe ich nach dem Abi am Theater hospitiert. Mein Vater hat ja als Schauspieler am LTT gespielt. Da bin ich als Kind schon rumgekugelt. Es war großartig, bei den Proben zugucken zu dürfen.

Morgen spielen Sie in Mössingen, am Sonntag in Rottenburg. Verändern Sie die Ansprache ans Publikum, je nachdem wo sie auftreten?

Ja! Zu manchen Orten habe ich einen besonderen Bezug. Mein erster Freund kam aus Heilbronn. Der hat immer „Worscht“ statt „Wurscht“ gesagt. Ich finde es total spannend, durch die Gegend zu fahren und unterschiedliche Orte kennenzulernen. Ich bin vor Auftritten immer ganz aufgeregt, weil ich vorher nicht weiß, wie und worauf die Leute reagieren.

Was darf Ihr Publikum erwarten?

Eine One-Woman-Show mit Geschichten aus dem Buch und den Video- und Radio-Clips, aber auch neue Geschichten. Ich erzähl‘ die als Prenzlschwäbin. Ich lass‘ aber auch andere Figuren auftauchen, wie die Berliner Bäckerei-Fachverkäuferin – oder die Frau, die in Stuttgart einem Autofahrer die Richtung erklärt.

Eigentlich ist Bärbel Stolz Schauspielerin

Bärbel Stolz wurde 1977 in Esslingen unter dem Familiennamen Schleker geboren. Sie wuchs in Hayingen auf der Alb auf. Mittlerweile lebt sie als zweifache Mutter in Berlin. Die Prenzlschwäbin spielt sie seit zwei Jahren: In Clips, die sie auf ihrem eigenen Youtube-Kanal hochlädt. Der Erfolg überschattete ein wenig ihre Karriere als Theater- und Film-Schauspielerin. Ein ganz kurzer Auszug: In der mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten SAT1-Serie „Verliebt in Berlin“ spielte sie die Hauptrollenfigur Yvonne Kuballa. In der ARD-Serie „Türkisch für Anfänger“ wurde sie als karrieregeile Journalistin besetzt. Regisseur besetzte sie wenig später in seinem preisgekrönten Film „Fack ju, Göthe“. Morgen Abend spielt Stolz im Autohaus Karl Müller in Mössingen, am Sonntag in der Festhalle in Rottenburg.

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Erstellt:
30.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 51sec
zuletzt aktualisiert: 30.03.2017, 01:00 Uhr

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