Kneipenszene · Lokalverweis wegen Kopftuchs

In Konstantin Chalkidis‘ Bar wurde eine 24-jährige türkischstämmige Frau der Gaststätte verwiesen

Shirin K. (Name geändert) trägt ein Kopftuch, sie trägt es bei der Arbeit im Krankenhaus und sie trägt es in ihrer Freizeit. Und diese Freizeit führt sie auch hin und wieder in die Shisha (Wasserpfeifen) Bar „Esperanto“ in der Tübinger Wilhelmstraße. An einem Montagabend wollte die 24-Jährige hier noch mit ihrem Freund chillen.

27.07.2017

Von Ulla Steuernagel

Symbolbild: ©artfocus - stock.adobe.com

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Sie hatte die Bar gerade erst betreten, als der Kellner auf ihren Freund zukam und, wie sie sich erinnert, zu ihm sagte: „Tut mir leid, ich muss euch leider rauswerfen.“ Der Grund sei, dass sein Chef Frauen mit Kopftuch in seinem Lokal nicht haben wolle. Warum der Kellner das nicht direkt zu ihr gesagt habe, erklärt die junge Frau, deren Familie aus der Türkei kommt und die in Tübingen geboren und aufgewachsen ist, damit, dass es ihm wohl peinlich gewesen sei.

Konstantin Chalkidis ist Inhaber der Shisha Bar „Esperanto“. Am Abend des Platzverweises sei er nicht dort gewesen. Er bezweifelt jedoch, dass sein Kellner das Wort „Rauswerfen“ in den Mund genommen habe. „Meine Kellner benutzen nicht so ein Vokabular.“

Nein, sagt Chalkidis dem TAGBLATT, er habe kein generelles Kopftuch-Verbot in seinem Lokal. Das Ganze sei ein „schwieriges Thema“. Er selber kenne viele Muslime und habe viele muslimische Freunde. Und da seine Familie aus Griechenland komme, wisse er auch sehr gut, was Migrationshintergrund bedeutet: „Wie oft ich mich schon selber diskriminiert gefühlt habe.“

Doch mit Diskriminierung habe seine Vorsichtsmaßnahme gegenüber Kopftuchträgerinnen nichts zu tun. Er mache nur von seinem Hausrecht Gebrauch. Nach wie vor habe er auch Frauen, die Kopftuch tragen, unter seinen Gästen. Für ihn – und auf seine Anweisung hin auch für sein Personal – zähle nicht allein die Bekleidung: Wichtig sei die „Freundlichkeit und der Respekt“, mit der die Frauen ihm und seinem Team begegneten.

Gewiss respektiere er die Religionsfreiheit. Er fragt sich zwar, was so eine Verschleierung soll, aber außerhalb seiner Bar sei ihm das muslimische Outfit egal. Wenn allerdings eine Frau einen Mann nicht anschaue, ihm nicht die Hand geben wolle, dann sei für ihn die Grenze und damit auch ein Ausschlussgrund für seine Bar erreicht. Er frage sich außerdem: „ Was will man demonstrieren, wenn man mit Kopftuch in eine Bar kommt?“ Eine Frau mit Kopftuch signalisiere allen anwesenden Männer: „Es darf nicht geschaut werden.“ Doch im Barbetrieb gehöre das einfach dazu. Ärger sei also programmiert. „Ich muss ja auch irgendwie mich und meine Gäste schützen.“

Besuche von Kopftuchfrauen könnten, so seine Erfahrung, unangenehme Folgen haben. Er habe schon erlebt, dass ihn Vater oder Bruder einer verschleierten Barbesucherin hinterher massiv bedroht hätten. Von „Ich zünd’ dir die Bude an“ bis zu „Ich stech’ dich ab!“ – habe er alles schon zu hören bekommen. So wollte einmal eine Studentin aus der Türkei bei ihm jobben. Die Familie wisse Bescheid, habe sie ihm versichert und „kein Problem“. Doch dann sei plötzlich der ältere Bruder vor der Tür gestanden und habe ihn bedroht.

Ein freundlich gesinnter Mensch sei bei ihm immer willkommen, aber wer es an Respekt und Toleranz fehlen lasse, für den gebe es keinen Platz in seinem Lokal. Vollends ärgert er sich über Pärchen, bei denen der Mann darauf achte, dass „niemand seine Frau anglotze“, aber kaum sei er alleine unterwegs, „zieht er andere Frauen mit seinen Blicken förmlich aus“.

Shirin K. wundert sich sehr über die Begründungen des Bar-Inhabers, mit der er manchen Frauen den Zugang zu seinem Lokal verwehrt. Sie selber tritt selbstbewusst auf und beschreibt den Beginn des Abends so: „Wir sind ganz normal in die Bar hereingekommen.“ Eintreten, sich nach einem freien Platz umschauen und sich vor der Tür wiederfinden, das Ganze habe höchstens fünf Minuten gedauert. Shirin K. war schon öfter in der Shisha-Bar, noch nie hatte sie dort Probleme wegen ihres Kopftuchs und noch nie sei sie des Platzes verwiesen worden. „Der Besitzer kennt mein Gesicht“, sagt sie. Noch nie habe man sie dort derart behandelt. „Ich kann es verstehen, wenn man einen unverschämten Gast ausschließt.“ Doch ihre Art sei es nicht, Ärger zu provozieren. „Ich tendiere nicht zu Aggression“, sagt die junge Frau.

Shirin K., die ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin bald beendet hat, hat auch keine Scheu vor anderen Menschen. Im Gegenteil: sie arbeite gerne mit anderen, sonst hätte sie auch nicht den Beruf gewählt, in dem sie sich ausbilden lässt.

Für sie war der Lokalverweis ein Schock, und sie empfindet ihn auch Tage danach noch als „totale Kränkung“. Den Bar-Besitzer will sie wegen Diskriminierung anzeigen. „Er hat meine Würde angegriffen“, sagt die angehende Krankenpflegerin.

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Erstellt:
27.07.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 15sec
zuletzt aktualisiert: 27.07.2017, 01:00 Uhr

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