Besuch der Keltenfürstin

In Hülben sind einmalige Fundstücke aus dem 2600 Jahre alten Prunkgrab zu sehen

Eine Unbekannte hält in Hülben Hof – und die Leute strömen: In der Albgemeinde wird das 2600 Jahre alte Prunkgrab einer Keltenfürstin präsentiert. Im Mittelpunkt des Interesses: Die Beigaben aus Gold und Bernstein.

24.05.2016

Von Thomas de Marco

Magische Artefakte aus der Vergangenheit: In Hülben ist der Schmuck einer Keltenfürstin zu sehen, die vor 2600 Jahren bestattet worden ist.Bilder: de Marco

Magische Artefakte aus der Vergangenheit: In Hülben ist der Schmuck einer Keltenfürstin zu sehen, die vor 2600 Jahren bestattet worden ist.Bilder: de Marco

Hülben. Auf dem Gelände neben dem Sportplatz des SV Hülben ist derzeit ein außergewöhnliches Szenario zu erleben: Um einen aus drei Containern gebildeten Ausstellungsraum herum sind Holzbuden gruppiert, die örtlichen Vereine bewirten, drinnen im Schauraum drängen sich Besucherinnen und Besucher vor Vitrinen, Schautafeln und Bildschirmen. In den ersten zehn Tagen der Ausstellung kamen bis zum vergangenen Wochenende gut 6000 Gäste.

„Diese Resonanz übertrifft meine Erwartungen bei weitem. Das Interesse ist riesig, obwohl das Wetter während dieser Zeit häufig schlecht war“, sagt Gerd Stegmaier, Ur- und Frühgeschichtler an der Uni Tübingen. Er ist außerdem als wissenschaftlicher Referent bei der Gemeinde Hülben angestellt, um die ehemalige keltische Siedlung Heidengraben auf den Gemarkungen von Hülben, Grabenstetten und Erkenbrechtsweiler der Öffentlichkeit besser zu präsentieren. Dafür sollen bis 2019 das Besucher- und Informationszentrum „Erlebnisfeld Heidengraben“ sowie ein sechs Kilometer langer Erlebnispfad entstehen.

Was Stegmaier nun besonders freut: Die Ausstellung erfüllt ihr vorrangiges Ziel, die Leute auf die keltischen Zeugnisse in der Region aufmerksam zu machen, bestens: Innerhalb einer Woche sind bereits 400 archäologische Führer, die den Heidengraben beschreiben, verkauft worden.

Die Exponate in den drei Containern sind ohne Frage spektakulär: Die 2010 entdeckte Grabkammer der Keltenfürstin von der Donau gilt als einer der bedeutendsten archäologischen Funde der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland. In dem unberaubten Grab wurden filigran verzierte Kugeln, Fibeln und ein Ohrring, alles aus Gold, sowie Bernsteinperlen und Bronzeobjekte gefunden. Von herausragender Bedeutung ist dabei auch ein Stirnpanzer eines Pferdes.

Rainer Frank aus Filderstadt-Bernhausen ist als Angestellter einer Sicherheitsfirma seit Ausstellungsbeginn am 12. Mai ständiger Begleiter der prähistorischen Pretiosen. „Ich bin beeindruckt, wie gut diese Stücke nach so langer Zeit noch erhalten sind“, sagt er. In den Container erlebt er immer wieder aufs Neue, wie überrascht auch die Besucher auf die Exponate reagieren. „Die schwärmen total von der filigranen Arbeit, die solche Schmuckstücke entstehen ließ.“

Noch birgt das Grab viele Rätsel. Wer war die Fürstin, wer ist noch mit ihr bestattet worden? Das Kind, das ebenfalls in diesem Grab gefunden wurde, kann ihr nicht klar zugeordnet werden, weil dessen Knochen für eine DNA-Analyse zu schlecht erhalten sind. Sie müssen aber etwas miteinander zu tun gehabt haben, denn der Goldschmuck der beiden ist sehr ähnlich und könnte vom gleichen Handwerker hergestellt worden sein.

Dann ist da noch eine dritte Frau, die am Rande der Gruft bestattet worden ist und mit nur wenig Kopfschmuck eher ärmlich gebettet wurde. Dass ihr Skelett höher liegt als die Körper der anderen könnte darauf hindeuten, dass sie später ins Grab gelegt worden war, als der Boden schon mit Erde bedeckt war. Derzeit gehen die Archäologen davon aus, Mutter, Tochter und Magd gefunden zu haben. Ob diese Einschätzung zu halten sein wird, muss sich erst noch zeigen. „In drei, vier Jahren wissen wir mehr“, sagt Landesarchäologe Dirk Krausse. Die keltischen Knochen sind jedenfalls für künftige Forschungen erst einmal eingefroren worden, erklärt Stegmaier.

Höchst interessant für die Forschung ist auch der bronzene Stirnpanzer des Pferdes. Solche Stücke kannte man nördlich der Alpen eigentlich nicht, erläutert Nicole Ebinger-Rist, Chefrestauratorin vom Landesamt, in der Ausstellung per Video-Einspielung. Auch andere Fundstücke rund um die Heuneburg zeigen Architektur, Mode und Waffen aus dem Süden. Die Experten sind sich sicher: Die Verbindung dorthin war offenbar enger als gedacht.

Für Security-Mitarbeiter Ernst kommt bei diesem Auftrag auch die Erinnerung an seine Schulzeit zurück. „Damals habe ich im Geschichtsunterricht allerdings überhaupt kein Interesse für die Kelten gehabt“, erinnert er sich. Wie ihm dürfte es vielen der Besucher gegangen sein, die nun die einmalige Gelegenheit nutzen, diese kleine, aber ausgezeichnete Schau zu besuchen.

Info Die Ausstellung „Das Geheimnis der Keltenfürstin“ ist in Hülben bei der Sport- und Freizeitanlage Rietenlau noch bis zum Sonntag, 29. Mai, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag und Mittwoch 10 bis 18 Uhr, Fronleichnam und Sonntag 10 bis 20 Uhr, Freitag und Samstag 10 bis 21 Uhr. Chefrestauratorin Nicole Ebinger-Rist hält am heutigen Dienstag, 24. Mai, im Hülbener Bürgersaal (Dettinger Straße 19) den Vortrag „Neues von der Keltenfürstin“.

In Hülben sind einmalige Fundstücke aus dem 2600 Jahre alten Prunkgrab zu sehen

Ausnahmsweise geht das Grab noch einmal auf die Reise

2010 ist das Fürstinnengrab unweit der Heuneburg bei Herbertingen entdeckt worden. Die gesamte Grabkammer, die rund 2600 Jahre alt ist, wurde komplett als 7,5 auf 6 Meter großer und 100 Tonnen schwerer Erdblock geborgen. Die Sonderschau „Das Geheimnis der Keltenfürstin“ ist 2014 am Fundort Heuneburg, während der Landesgartenschau in Schwäbisch Gmünd sowie auf dem Stuttgarter Schlossplatz gezeigt worden und zog insgesamt 72 000 Besucher an. Eigentlich hätte das Landesamt für Denkmalpflege danach den Fund in Ruhe aufarbeiten wollen, doch zur Unterstützung des Projekts „Erlebnisfeld Heidengraben“ machten die Verantwortlichen um Chefrestauratorin Nicole Ebinger-Rist eine Ausnahme und schickten die Fundstücke auf die Reise nach Hülben. Dort sind die Grabbeigaben noch bis zum 29. Mai zu sehen. Die Aufarbeitung der Funde soll bis 2018 abgeschlossen sein.

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Erstellt:
24.05.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 32sec
zuletzt aktualisiert: 24.05.2016, 01:00 Uhr

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