Warten auf den Ruheforst

Im Hechinger Friedwald beim Lindich hat noch keine einzige Bestattung stattgefunden

Seit 2013 ist der „Ruheforst“ beim Hechinger Lindich fertig angelegt. Dass zwischen den Wurzeln der Bäume noch immer keine einzige Urne begraben ist, liegt an einem ebenso langwierigen wie lästigen Rechtsstreit zwischen Cosimo und Nestor Piccinni, den Besitzern des benachbarten Barackengrundstücks, und der Stadt Hechingen.

02.09.2016

Von Susanne Mutschler

Komplett für seinen Zweck gestaltet ist es schon, das hübsche Waldgebiet am Schloss Lindich, das künftig zum „Ruheforst“ werden soll.Bilder: Freese

Komplett für seinen Zweck gestaltet ist es schon, das hübsche Waldgebiet am Schloss Lindich, das künftig zum „Ruheforst“ werden soll.Bilder: Freese

Hechingen. „Wir sind inzwischen vor dem höchsten Gericht in Deutschland angelangt“, sagt Raimund Friderichs, Leiter des Forstbetriebs der Sigmaringer Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern. Man merkt ihm an, dass die Dauer der juristischen Auseinandersetzungen um den Hechinger Ruheforst seine Geduld strapaziert.

Für solche Prozesse, die nur „den Duktus des Verhinderns“ haben, würde er sich auch in einer Demokratie die Möglichkeit schnellerer Verfahren wünschen. „Die Piccinnis haben das Projekt permanent torpediert, obwohl sie von Anfang an nicht im Recht waren“, sagt er.

Nachbarn wollen

Wellness-Hotel bauen

Bereits 2012 hatte die Stadt Hechingen einen Bebauungsplan für das „Sondergebiet Ruheforst Zollerblick“ beschlossen. Unter der Leitung des Sigmaringer Forstbetriebs wurde das 40 Hektar große Waldstück danach zwischen dem Hechinger Schloss Lindich und dem Starzeltal in einen von Waldwegen durchzogenen Naturfriedhof verwandelt. Die verwitterungsfähigen Urnen sollten zwischen den Wurzeln der großen Laubbäume eingegraben, die Namensschilder der Toten an den Stämmen befestigt werden.

Es gibt einen ästhetisch gestalteten Gedenkplatz für die Trauerfeierlichkeiten, einen Bachlauf mit Brücke und Sitzbänke für Spaziergänger. Auch die Zufahrt, aus der einmal eine ausgewachsene Lindenallee werden soll, ist längst fertig, ebenso ein kleiner Parkplatz.

Im Mai 2013 hätte der Hechinger Ruheforst eröffnet werden können. Doch Vater und Sohn Cosimo und Nestor Piccinni durchkreuzten den Plan. Sie sind die Besitzer des ziemlich herunter gekommenen Barackengeländes nebenan. Dort war vor vielen Jahren die Bereitschaftspolizei untergebracht. Ein Ruheforst passe nicht zu dem „Wellness-Hotel der Spitzenklasse“, das sie in unbekannter Zukunft auf ihrem Grundstück bauen wollten, argumentierten die italienischen Immobilieneigner. Die Gefühle ihrer Hotelgäste, die sich dereinst einmal auf der noch zu realisierenden Terrasse entspannen sollen, könnten durch die hin und wieder vorbeiziehenden Trauernden beeinträchtigt werden, fürchteten sie. Außerdem verliere Hechingen mit dem Ruheforst ein Naherholungsgebiet, in dem Kinder nicht mehr laut singen und spielen dürften.

Dass die in Hanglage zur Starzel konzipierte Begräbnisanlage von potenziellen Hotelbesuchern optisch und akustisch kaum wahrgenommen werden kann, ließen die Barackenbesitzer nicht gelten. „Eine gütliche Einigung war nicht möglich“, erinnert sich Hechingens Bürgermeisterin Dorothea Bachmann an ihre Gesprächsversuche im Rathaus. Die Piccinnis seien keinen Argumenten zugänglich gewesen.

Mit dem Vorwurf, das Umweltgutachten des Bebauungsplanes entspreche nicht den neuesten EU-Richtlinien, strengten sie 2013 vor den Verwaltungsgerichten in Sigmaringen und Mannheim zeitaufwändige und komplizierte Normenkontrollverfahren an. 2014 beschloss die Stadt einen zweiten Bebauungsplan, der sämtliche Naturschutzbelange integrierte. Das Urteil in Mannheim fiel im Februar 2016 zugunsten der Stadt und des Forstbetriebes aus. Ein Ruheforst bedeute keine Störung für einen Hotelbetrieb, heißt es darin. Außerdem sei die Baugenehmigung der Piccinnis bereits 2004 abgelaufen.

Eine Revision lässt das Gericht in Mannheim nicht mehr zu. Deshalb sind die Piccinnis inzwischen mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vor die nächste und letzte Instanz gezogen. Demnächst wird sich der Verwaltungsgerichtshof in Leipzig mit der Sache „Hechinger Ruheforst“ befassen müssen. Mit dieser neuen Klage habe „kein Mensch gerechnet“, sagt die Bürgermeisterin. Sie sei „guter Dinge, dass es zügig geht“, doch mit einer genauen zeitlichen Prognose ist sie mittlerweile vorsichtig geworden.

Erste Trauerfeiern

noch im Herbst?

„Wir hätten mit dem Mannheimer Entscheidung auch gleich in Betrieb gehen können, aber wir wollen endgültige Rechtssicherheit“, erklärt Raimund Friderichs. Während der Dauer des Verfahrens musste der Sigmaringer Forstbetrieb sogar die Waldpflege in dem fix und fertig angelegten Ruheforst ruhen lassen. Entsprechend üppig ist dort das Grün gediehen. Der Forstbetriebsleiter hofft zuversichtlich darauf, dass noch in diesem Herbst die ersten Trauerfeiern stattfinden können. Seit drei Jahren muss er Bestattungsanfragen zurückweisen und die Hinterbliebenen vertrösten. Der Verhandlungstermin in Leipzig steht bislang allerdings noch nicht fest.

Im Hechinger Friedwald beim Lindich hat noch keine einzige Bestattung stattgefunden

Im Hechinger Friedwald beim Lindich hat noch keine einzige Bestattung stattgefunden

Projekt für Jedermann

Die Stadt Hechingen und die Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern (FORST) haben den „RuheForst“ Zollerblick als gemeinsames Projekt. Gedacht ist er als letzte Ruhestätte für Jedermann, unabhängig von Wohnort, Nationalität und Religionszugehörigkeit. Der Wald besteht aus Tannen, Eschen, Eichen und Buchen. Grabpflege ist nicht notwendig.