Dienstleistung statt Landwirtschaft

Im Gewann „Galgenfeld“ sollen 30 Hektar Land auf ihre Eignung als Gewerbefläche untersucht werden

Am vergangenen Freitag und Samstag diskutierte der Rottenburger Gemeinderat hinter verschlossenen Türen über die Themen „Wohnen und Arbeiten in Rottenburg“. Am Dienstagabend verkündete Oberbürgermeister Stephan Neher dann das Ergebnis: Man habe sich auf ein neues Gewerbegebiet im „Galgenfeld“ und die Gründung einer städtischen Wohnbaugesellschaft geeinigt.

21.07.2016

Von Ulrich Eisele

Rund 30 Hektar Gewerbegebiet haben der Gemeinderat und die Stadtverwaltung im Gewann „Galgenfeld“ zwischen Rottenburg (Mitte hinten) und Kiebingen (ganz rechts im Bild) ins Augen gefasst. Unser Bild zeigt einen Blick von der ehemaligen Gärtnerei Nesch am Martinsberg auf das „Galgenfeld“ (links des Weges bis zum grünen Baumgürtel). Das Gewerbegebiet würde sich auch noch ein Stück weiter nach rechts, in Richtung Kiebingen ausdehnen. Eine genaue Festlegung der Bebauungsgrenzen gibt es noch nicht. Bild: Eisele

Rund 30 Hektar Gewerbegebiet haben der Gemeinderat und die Stadtverwaltung im Gewann „Galgenfeld“ zwischen Rottenburg (Mitte hinten) und Kiebingen (ganz rechts im Bild) ins Augen gefasst. Unser Bild zeigt einen Blick von der ehemaligen Gärtnerei Nesch am Martinsberg auf das „Galgenfeld“ (links des Weges bis zum grünen Baumgürtel). Das Gewerbegebiet würde sich auch noch ein Stück weiter nach rechts, in Richtung Kiebingen ausdehnen. Eine genaue Festlegung der Bebauungsgrenzen gibt es noch nicht. Bild: Eisele

Rottenburg. Mit Spannung war von vielen Gemeinderäten die Klausur zum Thema „Wohnen und Arbeiten in Rottenburg“ erwartet worden. Erhofften sich doch nicht wenige davon Impulse, manche auch Leitlinien für die zukünftige Stadtentwicklung. Immer, wenn bei einer Ratssitzung die Diskussion zu grundsätzlich wurde, konnte man den Satz hören: „Das besprechen wir bei der Gemeinderatsklausur.“

Die Linke hatte im Vorfeld gefordert, die Diskussion öffentlich zu veranstalten – ohne Erfolg. Nun, beim Pressegespräch am Dienstagabend, waren außer den drei Bürgermeistern nur Vertreter der CDU, SPD, Grünen und WIR anwesend. Linke, Junge Alternative und Freie Bürger fehlten, waren aber eingeladen. Die vier anwesenden Ratsvertreter – Peter Cuno (WIR), Horst Schuh (CDU), Ursula Clauß (Grüne) und Ursula Sieber (SPD) – versicherten, die Gespräche hätten „in guter Atmosphäre“ stattgefunden. Hinterher war allerdings zu hören, dass Volkmar Raidt (FB) das Treffen am ersten Tag unter Protest verlassen habe (siehe Kommentar).

Keine Grundstücke in

„Siebenlinden“ käuflich

Am Freitag habe man über die Möglichkeit neuer Gewerbegebiete gesprochen, gab Oberbürgermeister Stephan Neher den Diskussionsverlauf wieder. „Wir haben die mehr oder weniger bekannten Flächen, die in Frage kommen, noch einmal Stück für Stück betrachtet“, sagte Neher. Die Stadt habe „Engpässe“ bei der Gewerbeentwicklung. In „Siebenlinden“ gebe es zwar noch Freiflächen, doch jeder Versuch, diese zu erwerben, sei bisher gescheitert.

Für ein neues, stadtnahes Gewerbegebiet kämen im Grunde nur drei Standorte in Frage, erklärte Neher: „Oberes Feld“ und „Eneshalde“, links und rechts des Autobahnzubringers (L361), zwischen Gärtnerei Staudenmaier und Stadtrand gelegen, sowie das „Galgenfeld“; auf das habe man sich nach längerer Diskussion verständigt, da die Erschließung der beiden anderen Gebiete zu große Probleme aufwerfen würde.

Unproblematisch wäre auch die Erschließung des „Galgenfelds“ nicht. Im Regionalplan sind dort bislang landwirtschaftliche Flächen und ein regionaler Grünzug eingetragen. Das müsste zuerst geändert werden. Erst danach könnte die Fläche als Gewerbegebiet im Flächennutzungsplan ausgewiesen und ein Erschließungsverfahren eingeleitet werden.

Man wolle dort „zirka 30 Hektar“ Fläche für „wohnortnahes Gewerbe“ untersuchen, hauptsächlich für „Dienstleistungsbetriebe mit hoher Kundenfrequenz, die stadtnah sein müssen“, so Neher. Gedacht sei das Gebiet für Rottenburger Betriebe, die in der Stadt keinen Platz mehr fänden und sonst abwandern würden. Konkrete Nachfragen gebe es noch keine.

Da man mit bis zu fünf Jahren für die notwendigen Schritte rechne, assistierte Finanzbürgermeister Volker Derbogen, müsse man jetzt anfangen. „Wir müssen eine Angebotsstruktur schaffen, so wie in Ergenzingen. Kein Unternehmer wartet fünf Jahre, sondern er sagt: ,Jetzt oder nie!‘“ Die Stadt Rottenburg habe bei der Zahl der Arbeitsplätze in den letzten Jahren zwar zugelegt; dennoch bleibe ein „negatives Saldo“, so Derbogen: 11900 Auspendlern stünden 4600 Einpendler gegenüber.

Für das „Galgenfeld“ spreche die gute Verkehrsanbindung an die neue B28 (die derzeit gebaut wird) und an die Autobahn, sagte Neher. Für Kiebingen – das „Galgenfeld“ reicht bis etwa 500 Meter an den Ort heran – solle sich der Verkehr dadurch nicht erhöhen. „Das Gewerbegebiet bekommt selbstverständlich eine eigene Anbindung an die B28“, sagte Neher.

„Wir haben alle Flächen in der benötigten Größe abgeprüft“, versicherte Horst Schuh (CDU). „Wir sehen eine große Notwendigkeit für das Gewerbe in der Kernstadt“, so auch Ursula Sieber (SPD). „Das ,Galgenfeld‘ ist für uns das kleinste Übel.“ Auch Ursula Clauß (Grüne) und Peter Cuno (WIR) signalisierten Zustimmung zu den Plänen.

Stadt bekommt damit

das Steuer in die Hand

Einigkeit demonstrierten die vier Ratsvertreter und drei Bürgermeister auch beim zweiten Thema: der Gründung einer eigenen städtischen Wohnungsbaugesellschaft. An der Diskussion auf der Klausur hätten auch externe Fachleute vom Verband der baden-württembergischen Wohnbaugesellschaften, der Stuttgarter und der Tübinger Wohnbaugesellschaft teilgenommen, berichtete Neher. Man habe in der Diskussion klar abgegrenzt, dass sich die städtische Wohnungsbaugesellschaft nur mit Wohnbau, nicht mit dem Bau von Schulen, Kindertagesstätten oder anderen öffentlichen Einrichtungen befassen solle.

Für eine eigene Wohnbaugesellschaft spreche, so Neher, dass man „ein Steuerungsinstrument“ in die Hände bekomme. Bisherige Anreize – Zuschüsse an freie Bauträger für Belegungsrechte – seien fehlgeschlagen. Bei den Neubauten der letzten Jahre in Rottenburg – rund 260 Wohnungen – habe die Stadt kein einziges Belegungsrecht gewonnen. Wenn man das Geld in Projekte anderer Wohnbaugesellschaften stecke, habe man nur wenig Einfluss auf die Ausgestaltung. Geld, das die Stadt in eine eigene Wohnbaugesellschaft stecke, sei nicht verloren, sondern mehre das eigene Vermögen.

In rechtlicher Hinsicht soll die neue Gesellschaft als städtischer Eigenbetrieb geführt werden. „So wie die Technischen Betriebe“, erklärte Volker Derbogen. Damit spare man Grunderwerbssteuern. Von rund 100 städtischen Wohnungen, die teilweise in schlechtem Zustand sind, soll etwa die Hälfte als Anlagekapital in die neue Gesellschaft eingebracht werden. So gelange man einerseits an günstigere Zinskonditionen. Andererseits soll der Bestand nach und nach planmäßig saniert werden. Auch darum soll sich die neue Gesellschaft kümmern.

Erstes Projekt der neuen Wohnbaugesellschaft, die schon im Januar 2017 an den Start gehen soll, wird der Bau von rund 60 Wohnungen auf dem DHL-Gelände sein. Dafür sind rund 3,2 Millionen Euro Eigenkapital nötig. Weitere Mittel sollen durch Zuschüsse der Landesregierung aufgebracht werden. „Bisher haben wir immer Zuschüsse gegeben und die anderen die Gewinne kassiert“, kommentierte Horst Schuh das Vorhaben. Und Ursula Sieber sagte: „Der Soziale Wohnungsbau ist der SPD schon immer ein Anliegen. Wir sehen darin eine große Chance.“

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Erstellt:
21.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 43sec
zuletzt aktualisiert: 21.07.2016, 01:00 Uhr

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