Ihre beste Stunde

Ihre beste Stunde

Tragikomödie um eine Drehbuchautorin, die 1940 einen Film mit schmalzigen Passagen speziell fürs weibliche Publikum aufpolieren soll.

01.04.2017

Von Dorothee Hermann

Ihre beste Stunde - Drehbuch einer Heldin

Für die Sekretärin Catrin Cole (Gemma Arterton) ist das Filmbusiness wie ein ein Spiel, dem auch die zeittypischen Nachteile – es ist das Kriegsjahr 1940 in London – nichts anhaben können: Sexismus prägt die Arbeitswelt, und Frauen, die sich zurücknehmen. Die junge Waliserin ist mit ihrem Künstlerfreund Ellis (Jack Huston) an die Themse gekommen und hat vor, selbst Geld zu verdienen. Als sie sich bei einer in Orwellscher Manier „Informationsministerium“ genannten Behörde für einen Job als Sekretärin bewirbt, landet sie in der Abteilung für Propagandafilme und soll fortan Drehbücher schreiben. Denn dort hat man erkannt, dass Durchhalteparolen nicht reichen, um den Widerstand der Zivilbevölkerung zu mobilisieren, während deutsche Bomben auf London fallen.

Mit genüsslicher Ironie hebt die dänische Regisseurin Lone Scherfig darauf ab, dass die Neue nur für den emotionalen Touch zuständig sein soll, in einer Dosis, dass das Publikum mitgeht, aber sich nicht eingewickelt fühlt. Mrs. Cole soll „Schmalz“ produzieren, bekommt aber selbstverständlich weniger bezahlt als ein Mann.

Kollege Tom Buckley (Sam Claflin aus „Die Tribute von Panem“) hat den heroischen Anteil beim Rückzug von Dünkirchen im Blick: unter den 700 britischen Fischerbooten, die die heimischen Truppen aus Frankreich zurückholten, war auch das von zwei Schwestern, die den Alleingang trotz ihres cholerischen Alkoholikervaters riskierten. Schon ist der weibliche Blickwinkel gefunden.

Die Ausstattung ist ein Fest für anglophile Nostalgiker: Es gibt Pubs, in denen die Zeit stehen geblieben scheint. In einem altmodisch-verrauchten Büro nimmt der menschelnde Propagandastreifen in Form von Zetteln mit den Namen der Protagonisten allmählich Gestalt an. Doch von draußen bricht immer wieder die Realität ein, sei es in Form von Luftangriffen oder im Privaten.

Sehr hübsch ist der Running Gag: Sobald kriegsbedingt jemand ausfällt, ist Ersatz zur Stelle, der nur auf den ersten Blick überrascht. So wie die stylishe Sophie Smith (Helen McCrory), die nahtlos die Schauspieler-Agentur ihres Bruders weiterführt. Zum Kichern ist auch Jeremy Irons als kriegsministerieller Schnauzbart.

Der Film erzählt einerseits eine Emanzipationsgeschichte, in der neben Catrin auch der gealterte Schauspieler Ambrose Hilliard (großartig: Bill Nighy) um Anerkennung kämpft. Andererseits legt er auf vergnügliche Weise offen, wie nicht nur am Set effektvolles Drama produziert wird.

Nimmt trotz des hochnostalgischen Anscheins den gesellschaftlichen Wandel unter Kriegsbedingungen in den Blick.

Zum Artikel

Erstellt:
01.04.2017, 05:19 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 11sec
zuletzt aktualisiert: 01.04.2017, 05:19 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport