Houston

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Sozialkritische Charakterstudie mit Ulrich Tukur als alkoholkranker Headhunter eines Autokonzerns.

09.12.2013

Von Klaus-Peter Eichele

Clemens Trunschka (Ulrich Tukur) ist ein menschliches Wrack. Ohne stündliche Alkoholzufuhr kriegt er nichts auf die Reihe. Ehe und Familie hat er dem Suff schon geopfert. Aber auch durch seinen Job als Headhunter eines großen deutschen Autokonzerns schleppt er sich nur noch mit Müh und Not. Dennoch vertraut ihm der Vorstand einen heiklen Auftrag an. Ein hohes Tier aus Houston soll neuer Konzernchef werden; Trunschka obliegt die Aufgabe, bei dem Topmanager diskret vorzufühlen.

In Texas gelandet, erweisen sich aber sowohl die Firmenzentrale als auch das Privathaus des Kandidaten als unüberwindliche Festungen, an ein Vier-Augen-Gespräch ist nicht zu denken. So nagt an dem Säufer alsbald die Angst, die größte und wahrscheinlich letzte Karrierechance zu versemmeln ? was er mit noch mehr Hochprozentigem zu bewältigen versucht. Schauplatz dieses Absturzes ist eine Welt, aus der alles Menschliche entwichen zu sein scheint. Wenn der Headhunter wie in Trance durch Vorstandsetagen, Konferenzräume und Businesshotels gespenstert, wähnt man sich in einem Alptraum nach Kafka-Art. Zwischendurch gibt es aber auch einiges zu lachen: vor allem dank eines grotesk aufdringlichen Klischee-Amerikaners, der sich dem Verzweifelten als Helferlein andient.

Im zweiten Spielfilm des jungen deutschen Regisseurs Bastian Günther („Autopiloten?) passt alles zusammen: Das diffizile Spiel Tukurs, die beklemmenden Bilder, die hypnotische Musik der Krautrock-Legende Michael Rother und die gerade durch ihren Minimalismus unter die Haut gehende Inszenierung. Die Synthese überzeugt sowohl als erschütternde Menschenstudie wie auch als Abrechnung mit dem Erfolgs- und Selbstoptimierungsmantra der modernen Business-Welt.

Absturz eines Säufers in einer Welt ohne Wärme ? mit einem Tukur, wie ihn keiner kennt.

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