Spenden

Hilfe für Safi

Ein 12-jähriger syrischer Junge wartet nach einem Bombenanschlag auf eine dringend nötige Operation. In Dußlingen lebende Verwandte möchten ihm helfen.

21.11.2017

Von Gabi Schweizer

„Er ist so alt wie meine Tochter“: Roula Karbouj berichtet vom Schicksal des 12-jährigen Safi. Mit ihrem Ehemann Talal Al Hardan und ihren sechs Kindern – im Bild die neunjährigen Zwillinge Ahmed und Ruba – lebt sie in Dußlingen. Für die Hilfe des Unterstützerkreises sei die Familie sehr dankbar, weiß Brigitte Obermeier (rechts). Bild: Franke

„Er ist so alt wie meine Tochter“: Roula Karbouj berichtet vom Schicksal des 12-jährigen Safi. Mit ihrem Ehemann Talal Al Hardan und ihren sechs Kindern – im Bild die neunjährigen Zwillinge Ahmed und Ruba – lebt sie in Dußlingen. Für die Hilfe des Unterstützerkreises sei die Familie sehr dankbar, weiß Brigitte Obermeier (rechts). Bild: Franke

Zehn Tage war es ruhig gewesen in dem kleinen syrischen Dorf nahe Idlib. Zehn Tage lang wuchs die Hoffnung, es werde so bleiben. Dann schlug eine Bombe ein. Bei dem Anschlag vor vier Jahren verlor Talal Al Hardan eine Nichte: Das Mädchen war vier Jahre alt. Sein Bruder wurde so schwer am Bein verletzt, dass er heute eine Prothese trägt. Sein Neffe Safi, damals acht, erlitt schwere Gesichtsverletzungen. Als Talal Al Hardan beim TAGBLATT-Gespräch Handyfotos zeigt, wendet seine Ehefrau Roula Karbouj sich ab und zieht schnell ihren neunjährigen Sohn weg, so schlimm sind die Bilder. Eine Gesichtshälfte ist völlig entstellt. Wer die Bombe gezündet hat, weiß bei der schwierigen Gemengelage in Syrien niemand. Wüsste man es, würde das
dem heute 12-jährigen Safi auch nicht helfen. Im türkischen Antakya wartet er auf seine nächste Operation.

Für Operationen alles verkauft

Roula Karbouj, Talal Al Hardan und ihre sechs Kinder leben seit anderthalb Jahren in Dußlingen – gut integriert und in Sicherheit. Die älteren Kinder gehen zur Schule, der Vater hat seit Kurzem einen Job – er isoliert Heizungsrohre für eine Firma in Grosselfingen. Sein eigentlicher Beruf? „Ich habe vier“, erzählt der 43-Jährige. In Syrien trieb er eine Landwirtschaft um, jedoch hat er auch schon als Elektriker, Bäcker und Wasserinstallateur gearbeitet. „Er kann ein Haus bauen“, weiß seine Frau. Und Brigitte Obermeier vom Dußlinger Unterstützerkreis Asyl bestätigt: „Wenn es irgendwas zu tun gab bei uns im Dorf“ – dann habe man sich auf Talal verlassen können. Eines Tages aber merkte sie, dass der sonst so fröhliche Mann „total geknickt“ war. Auf Nachfrage erzählte er, was ihn bedrückte: Der Großfamilie war das Geld ausgegangen, um für Safis Operationen zu bezahlen. Alles, was zu verkaufen war, war verkauft – inklusive der Felder in Syrien. Sofern es jemanden gab, der sie haben wollte.

Safi und seine Familie waren direkt nach dem Anschlag in die Türkei geflohen, wo der Junge medizinisch versorgt wurde. Auch weil er noch wächst, zieht sich diese Behandlung über Jahre. Die nächste Operation steht nun an. Die Ärzte im Krankenhaus von Antakya jedoch operieren erst, wenn die dafür nötigen 4500 Dollar – etwa 5000 Euro – eingegangen sind.

Eine solche Summe kann der Dußlinger Unterstützerkreis nicht aufbringen. Helfen möchte er gleichwohl und bittet deswegen um Spenden (siehe Infokasten). Die Dußlinger Flüchtlingshelfer werden dafür Sorge tragen, dass das Geld in die richtigen Hände kommt. Und sie haben recherchiert, ob die Mediziner in Antakya in der Lage sind, die Operation durchzuführen. Da traf es sich gut, dass mit Johannes Simon auch ein Arzt Mitglied im Unterstützerkreis ist: „Er hat geschaut ob das Hand und Fuß hat und ob die Preise passen“, erzählt Obermeier. Zu dem Zweck habe er sich die Berichte aus der Klinik schicken lassen, eine türkische Kollegin las sich ebenfalls in den Fall ein und übersetzte. Simon ist zwar kein Chirurg, wie er einschränkt, aber doch Mediziner. Seine Einschätzung: Safi sei in dem großen Krankenhaus von Antakya gut versorgt worden und auch weiterhin „in guten Händen“. Trotz der erschreckenden Bilder scheinen ihm die Verletzungen gut behandelbar.

Fünf Operationen hat Safi bereits überstanden – dafür hat die Großfamilie zusammengelegt. Den Ärzten ist es gelungen, Safis Auge und sein Ohr zu retten – das Jochbein, das den Boden der Augenhöhle trägt, war gebrochen und der Gehörgang verletzt. Die schweren Hautverletzungen erforderten – und erfordern immer noch – plastische Chirurgie. Beim jetzigen Eingriff geht es darum, die Gesichtshälfte weiter zu rekonstruieren. Eine weitere und hoffentlich letzte Operation folgt, wenn Safi etwa 16 ist. Narbengewebe wächst nicht oder nur langsam mit, bei dem Jungen sind „Narbenkontrakturen“ festgestellt worden.

Alle Verwandten sind geflohen

Es ist auch eine kosmetische, damit für Safis Psyche wichtige Frage. Momentan drehe er immer den Kopf zu Seite, damit er die völlig vernarbte Gesichtshälfte nicht zeigen muss, wissen seine Verwandten. Roula Karbouj ist sichtlich bewegt vom Schicksal des Kindes: „Er ist so alt wie meine Tochter.“

Als der Anschlag passierte, waren die Al Hardans bereits aus Syrien geflohen. Sie lebten damals in der Türkei – drei Jahre im Zelt. Als dieses Stichwort fällt, sprudelt es aus dem neunjährigen Ahmed heraus: Ein Feuer sei ausgebrochen, die Schwester verletzt worden. Ein Problem mit der Elektrik, präzisiert Mutter Roula Karbouj. Ruba hatte Glück, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Dass die Zeit im Flüchtlingslager nicht einfach war, klingt deutlich durch. Ebenso die Freude und Dankbarkeit darüber, dass das neue Zuhause nun in Dußlingen liegt, wo die Familie nach Stationen in Sigmaringen und Rottenburg untergekommen ist. Ja, sie hätten sich sehr gut eingelebt, versichert Roula Karbouj in fließendem Deutsch. Per Whats App halten sie Kontakt mit Verwandten in der Türkei. In Syrien lebt niemand mehr. Immerhin: Auch Safis Familie muss nicht mehr in einem Flüchtlingslager ausharren. Sie wohnt in einem Haus, das ein wohlmeinender Mensch ihr für wenig Miete überlässt.

Allerspätestens Mitte 2018, besser bis März, sollte Safi operiert werden, damit der Eingriff Erfolg hat, haben die türkischen Ärzte der Familie erklärt. Knapp 2000 Euro hat der Unterstützerkreis bereits beisammen. Jetzt hofft er auf weitere Spenden.

Besonders viel verspricht er sich von einer Aktion des örtlichen Rewe-Supermarkts: Jener feiert fünfjähriges Bestehen und plant deswegen eine Sonderaktion am Samstag, 25. November. Zwischen 10 und 12 Uhr sitzt Bürgermeister Thomas Hölsch an der Kasse, dessen Frau Andrea übrigens die Al Hardans als Patin unterstützt. Was er in diesen zwei Stunden einnimmt, darf Hölsch spenden. Das Geld, so hat er beschlossen, soll Safi zugute kommen.

Spenden und einkaufen für Safi

Wer für Safi spenden möchte, kann mit dem Stichwort „UK Asyl – Operation“ auf das Konto der Bürgerstiftung Dußlingen überweisen: IBAN: DE27 6415 0020

0002 9954 05,

BIC SOLADES1TUB.

Wer eine Spendenquittung möchte, sollte seine Adresse auf den
Überweisungsträger schreiben.

Die Rewe-Sonderaktion zum fünfjährigen Bestehen des Marktes läuft am Samstag, 25. November: Wer sich zwischen 10 und 12 Uhr an der Kasse von Bürgermeister Thomas Hölsch anstellt, tut mit seinem Einkauf etwas Gutes. Denn der komplette Umsatz fließt für Safis Operation aufs Spendenkonto.

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Erstellt:
21.11.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 11sec
zuletzt aktualisiert: 21.11.2017, 01:00 Uhr

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