Über Privatparkplatzstrafen in Reutlingen

Hauptsache, nicht vor dem Bordell geparkt

Das Beste an Reutlingen sei ja Gleis 2 am Hauptbahnhof – weil von dort aus die Züge nach Tübingen fahren… Gleich schlecht ist aber sowohl in Tübingen wie auch in Reutlingen die Parkplatzsituation für Autofahrer.

18.09.2017

Von Tobias Zug

Zumindest für solche, die wenig bis gar nichts dafür bezahlen wollen. Also für solche wie mich. Jahrelang parkte ich deshalb in Reutlingen bei einem Bioladen, weil es da guten Käse gab und gibt. Aber vor allem, weil der Parkplatz für Kunden eine Stunde umsonst war. Also, gut zu verbinden mit einem längeren Stadtbummel. Das war immer kein Problem.

Bis vor zwei Wochen. Da erwischten sie mich, da klebte ein schmaler Wisch auf der Frontscheibe mit dem „Tatvorwurf“ laut Ziff6.7 AGB Fremdparken (nicht Kunde). Und der Knaller: Die „Vertragsstrafe“ beträgt 30,00 Euro (!!!). Zu bezahlen in einer Woche – nicht an die Stadt Reutlingen sondern an eine POD GmbH Parkordnungsdienst in Dreieich. Bankverbindung ist angegeben. „Solche Fälle kommen immer häufiger vor“, sagt Ordnungsamtsleiter Albert Keppler. Immer mehr Firmen und Betriebe in Reutlingen sichern ihr Privatgelände ab, indem sie private Parkordnungsdienste engagieren. Die ihre „Vertragsstrafen“ willkürlich festlegen: „Ganz berüchtigt ist der Rewe-Laden in der äußeren Albstraße“, sagt Keppler. Dort würden die Fremdparker nämlich rigoros abgeschleppt. Recht human kommt da die Stadt daher, wenn ein Nicht-Zahler auf ihren Parkplätzen erwischt wird: 10 Euro koste eine Anzeige, sagt Albert Keppler.

Die Stadt sehe solche privaten Dienste „schon mit einer kritischen Distanz“, sagt der Ordnungsamtsleiter, „aber rechtswidrig ist das nicht“. Aus juristischer Sicht ist nur wichtig, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), sprich die Strafe bei Fremdparken, deutlich gekennzeichnet sind in Form von Schildern an den Parkplätzen.

Keppler äußert Verständnis für die Firmen und Betriebe, die ihre Kundenparkplätze mit diesen teils drastischen Maßnahmen absichern wollen. Denn zunehmend suchen Autofahrer deren Parkplätze auf für andere Zwecke – und nehmen somit potenziellen Kunden den Platz weg, die dann dem Einkauf fernbleiben. Keppler: „Wenn es genügend öffentlichen Raum mit Parkplätzen gäbe, wäre das nicht nötig.“

Bezahlen sollte man diese Strafe jedenfalls und schnell: Die Mitarbeiter dieser Parkordnungsdienste scheinen keine umgänglichen Gesellen zu sein; hinter ihnen sitzen Inkasso-Unternehmen, „die es bis zum gerichtlichen Verfahren kommen lassen“, wie Keppler erläutert. E-Mail-Anfragen beantworten sie erst gar nicht. Immerhin erwischte es mich nicht ganz so unschicklich wie manch anderen in Reutlingen: Wie Keppler erzählt, hätten manche vor dem Bordell geparkt, um kurz im Shop-Center einkaufen zu gehen. Die Autos sind dann abgeschleppt worden. Wäre interessant zu wissen, wie es da zuhause zugeht, wenn die Rechnung kommt.

Nächstes Mal fahren wir jedenfalls vielleicht gar nicht nach Reutlingen. Oder mit dem Fahrrad. Oder mit dem Zug: Gleis 2 am Hauptbahnhof.

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Erstellt:
18.09.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 18sec
zuletzt aktualisiert: 18.09.2017, 01:00 Uhr

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