Happy Burnout

Happy Burnout

In der deutschen „Kuckucksnest“-Variation lässt sich Wotan Wilke Möhring als alternder Punk in eine psychiatrische Klinik einweisen.

28.02.2017

Von Klaus-Peter Eichele

Happy Burnout

Ein Punk mit Burnout? Klingt nach einem Treppenwitz und ist auch einer. Denn der von Wotan Wilke Möhring gespielte Fussel ist in seinen 44 Lebenjahren noch nie einer geregelten Arbeit nachgegangen, die ihn auslaugen könnte. Als dem Faulpelz das Hartz IV gestrichen werden soll, sieht seine Vertrauensfrau im Jobcenter nur einen Ausweg: Mit einer Einweisung in die Psychiatrie könne die Katastrophe abgewendet werden.

So schlurft der Kerngesunde mit Parka und Plastiktüten in die idyllisch gelegene Klinik, wo er den Ärztinnen mit hurtig angelesenem Halbwissen eine schwere Lebenskrise vorgaukelt. Als nachhaltiger erweist sich aber der Zusammenprall des überzeugten Leistungsverweigerers mit Menschen, die gerne Leistung bringen würden, sei es als Unternehmer (Michael Wittenborn) oder vierfache Mutter (Julia Koschitz), es aus unterschiedlichen Gründen aber nicht mehr können. Wie der Punk mit Anarchie und Empathie die Seelenpanzer dieser Patienten knackt, sie aus ihrer Lethargie reißt, ist phasenweise durchaus charmant und witzig, hat mit der klinisch-psychiatrischen Realität allerdings nicht viel zu tun.

Weil Regisseur André Erkau („Das Leben ist nichts für Feiglinge“) ein breites Publikum anpeilt (der Film wird von Warner Brothers auch an Multiplexe verteilt), hält er Abziehbilder psychischer Krankheiten und Krisen offenbar für ausreichend.

In der zweiten Halbzeit des Films wird dann klar, dass sich die Autoren sowieso nur für Fussel interessieren. Schon von Beginn an mehr ein pädagogisches Wunschkonstrukt als ein authentischer Punk, entpuppt sich sein „Scheiß drauf“-Habitus nun vollends als Fassade, hinter der ein Traum vom bürgerlichen Leben mit seinem lange vernachlässigten Töchterchen zum Vorschein kommt. Um die Läuterung seines Lieblings zu bewerkstelligen, gibt Erkau jeden Anspruch an eine halbwegs intelligente, geschweige denn subversive Komödie auf und begibt sich schnurstracks in die Niederungen eines Wohlfühlfilmchens der schlichteren Sorte.

Aus Angst vor der Wirklichkeit ist diese Komödie irgendwann nicht mehr witzig, sondern bloß noch seicht.

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Erstellt:
28.02.2017, 12:54 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 57sec
zuletzt aktualisiert: 28.02.2017, 12:54 Uhr

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