Palmer gerüffelt

Gemeinderat kritisiert das Interview des OB

Mit harschen Worten aus allen Fraktionen hat der Tübinger Gemeinderat am Montagabend das „Spiegel“-Interview von Oberbürgermeister Boris Palmer kritisiert. Zugleich lobten die Mitglieder die Stadtverwaltung einhellig für ihre Arbeit und beschlossen fast einstimmig zehn Bebauungspläne für Flüchtlingsunterkünfte.

15.02.2016

Von Gernot Stegert

Tübingen. Sämtliche Fraktionen im Tübinger Gemeinderat dankten am Montag der Stadtverwaltung mit der Ersten Bürgermeisterin Christine Arbogast und Baubürgermeister Cord Soehlke – und auch Boris Palmer – an der Spitze für ihre Arbeit zur Aufnahme von Flüchtlingen. Fast einstimmig – nur Gerhard Kehrer (CDU) stimmte mit nein – leiteten sie die Bebauungsplanverfahren ein. Diese sollen Wohnraum – in der Erstnutzung für Flüchtlinge – schaffen. Und dennoch war die Stimmung schlecht. Mit klaren, teils erbosten Worten kritisierten die Stadträte und Stadträtinnen OB Palmer für seine Äußerungen im „Spiegel“ über eine Ponyhof- und Pippi-Langstrumpf-Politik sowie sein Zitat eines „grünen Professors“, der Angst um seine „blonden Töchter“ habe.

„Ich meine, dass in Tübingen die Stimmung deutlich anders ist als in anderen Kommunen“, sagte eingangs Arbogast und setzte sich damit auch von Palmer ab, ohne ihren Chef direkt anzugreifen. Das taten dann die Mitglieder des Gemeinderates um so deutlicher. Annette Schmidt (AL/Grüne) fasste ihren Parteifreund noch vorsichtig an: „Wir teilen weder Ihre Einschätzung noch ihre Wortwahl“, sagte sie an Palmer gewandt.

Die deftigsten Worte fand SPD-Fraktionschef Martin Sökler. Er warf Palmer vor: „Sie machen sich zum Wolfgang Bosbach, ja zum Thilo Sarrazin der Grünen.“ Palmer mache rechtsextreme Argumente hoffähig und zeige keinerlei Empathie für Flüchtlinge. Außerdem nimmt Sökler dem OB übel: „Sie nehmen die Tübinger Stadtgesellschaft als Kronzeugen für Ihre Position.“ Ernst Gumrich (Tübinger Liste) sagte, er stimme Sökler fast wortgleich zu. Palmer habe Tübingen im Interview „missbraucht“, empörte er sich: „Die Darstellung hat nichts mit der Tübinger Realität zu tun.“ Wer vom Ponyhof spreche, disqualifiziere die vielen Helfer in Tübingen.

Gitta Rosenkranz (Linke) warf dem OB vor, aus Populismus Angst zu schüren: „Sie dürfen nicht für Tübingen sprechen.“ Dietmar Schöning (FDP) nimmt zwar auch „ein hohes Maß an Fragen und Skepsis“ in der Bevölkerung jenseits der offiziellen Veranstaltungen wahr. Doch Palmers „unmögliche Rhetorik“ enthalte eine „Diffamierung“ der vielen Engagierten. „Das geht einfach nicht.“