Umwelt

Geleimte Bretter aus Österreich

Das Nationalpark-Besucherzentrum soll ein Vorzeige-Projekt für den hiesigen Holzbau sein. Firmen aus dem Land haben aber kaum Chancen – und auch das Holz wird wohl aus dem Ausland kommen.

08.08.2017

Von ROLAND MÜLLER

Ein Aussichtsturm und ein „Skywalk“ sollen am Besucherzentrum beste Aussichten schaffen. Firmen aus dem Land werden die aufwendige Konstruktion aber wohl nicht bauen. Foto: bloomimages

Ein Aussichtsturm und ein „Skywalk“ sollen am Besucherzentrum beste Aussichten schaffen. Firmen aus dem Land werden die aufwendige Konstruktion aber wohl nicht bauen. Foto: bloomimages

Stuttgart. An Superlativen mangelt es nicht, wenn vom künftigen Besucherzentrum des Nationalparks Nordschwarzwald die Rede ist. Von einem „Meilenstein der Umweltbildung“ sprach Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei der Grundsteinlegung, der futuristische Holzbau mit Turm und „Skywalk“ durch Baumwipfel sei ein „einmaliges Projekt“. Das Zentrum soll auch ein Vorbild dafür sein, was man mit Holzbau tolles leisten kann.

Doch je näher die Ausschreibung rückt, desto klarer wird: Holzbau-Firmen aus dem Land werden kaum Gelegenheit haben, ihr Können zu demonstrieren. Und auch das verwendete Holz wird eher nicht aus dem Schwarzwald stammen. Der Grund: Beim „Baukonstruktionsholz“ für Decken, Wände und Dächer, das mehr als 90 Prozent des Gesamtvolumens ausmacht, setzt das Land stark auf so genanntes Brettsperrholz. Laut Finanzministerium macht dieser Baustoff nach aktueller Planung 72 Prozent des verwendeten Holzes aus.

Keine Hersteller im Land

Das Problem: „Für dieses hochveredelte Produkt gibt es bei uns keine Hersteller“, sagt Joachim Hörrmann vom Netzwerk „Pro Holz BW“. „Wenn die Konstruktion auf Brettsperrholz ausgelegt ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass Firmen aus dem Land zum Zug kommen.“ Das liege wohl auch an den anspruchsvollen Vorgaben des Architekten-Entwurfs. „Dann hätte man eine andere Konstruktion wählen müssen.“

Unternehmer aus dem Südwesten sind sauer. „Baden-Württemberg will Holzbau-Land Nummer eins werden, und dann so was“, sagt ein Firmenchef, der ungenannt bleiben möchte. Mit der Festlegung auf Brettsperrholz schließe man Firmen aus dem Land de facto von der Ausschreibung aus – ohne Not. „Es hätte Alternativen gegeben. Jetzt wird das Vorzeige-Objekt von den Österreichern gebaut.“ Bei einem Treffen mit Experten des Finanzministeriums seien diese Bedenken vorgebracht worden. Ohne Erfolg: Die Ausschreibung sei schon zu weit fortgeschritten, hieß es.

Gefragter Baustoff

Brettsperrholz erlebt als Baustoff derzeit einen großen Boom. Die Vorteile: Große verleimte Einzelteile können im Werk vorgefertigt und vor Ort zeitsparend montiert werden. Experen sagen

voraus, dass sich die Produktion bis 2020 verdoppeln werde. Der Haken: 60 Prozent der europäischen Kapazitäten und fast alle großen Anbieter sitzen in Österreich. „Es ist ein sehr leistungsfähiger und gefragter Baustoff“, sagt ein Unternehmer aus dem Schwarzwald. In Süddeutschland gebe es keine größeren Hersteller. „An den Österreichern kommt man da nicht vorbei.“

Auch was die Herkunft des Holzes angeht, muss die Landesregierung zurückrudern. „Österreicher werden kaum Schwarzwald-Holz benutzen“, sagt Hörrmann. Schlimm sei das nicht. „Die Branche ist global unterwegs, man kann das nicht so stark einschränken.“ Das Problem: Grünen-Politiker haben lange etwas anderes suggeriert. Von 90?Prozent Schwarzwald-Holz sprach Umweltminister Franz Untersteller im Landtag – und musste sich später korrigieren.

Europaweite Ausschreibung

Die aktuelle Sprachregelung ist laut Angaben des Finanzministeriums, das für das Gebäude „rund 90 Prozent heimisches Holz“ verwendet werde. Jedoch ist „heimisch“ recht weit gefasst. Darunter fällt demnach Holz, „das aus Baden-Württemberg oder angrenzenden Regionen wie Vorarlberg, Elsass, Bayern oder der Schweiz stammt“. Das hat auch vergaberechtliche Gründe. Der Bau wird europaweit ausgeschrieben. „Das ist absolut in Ordnung, das ist ein grenzüberschreitender Wirtschaftsraum“, sagt Klaus Michael Rückert (CDU), Landrat von Freudenstadt und Vorsitzender des Nationalparkrats.

Der FDP-Abgeordnete Andreas Glück aber übt scharfe Kritik: „Die Grünen wollen ihr exquisites grünes Schlösschen bauen und schrecken nicht davor zurück, dafür Holz aus dem Ausland zu importieren“, sagte er der SÜDWEST PRESSE. Wenn man solch ein Projekt mit lokalen Mitteln nicht umsetzen könne, sei die Planung falsch. „Holz in den Schwarzwald zu importieren, ist in etwa so sinnvoll wie Eulen nach Athen zu tragen.“ Besonders schlimm sei, dass der Entwurf so gestaltet sei, dass Firmen aus dem Land „gar keine Chance haben“.

Doch auch auf die Kosten müssen die Planer im Finanzministerium achten: Aus anfangs anvisierten 23 Millionen Euro für das Besucherzentrum sind schon 37?Millionen geworden. Die Opposition und der Koalitionspartner CDU achten sehr genau darauf, dass es nicht noch teurer wird. Auch hier soll Brettsperrholz von Vorteil sein.

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Erstellt:
08.08.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 00sec
zuletzt aktualisiert: 08.08.2017, 06:00 Uhr

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