Herr Rashu hört vorerst auf zu nähen

Geldprobleme beim Theaterprojekt mit Flüchtlingen

Im Ensemble des Flüchtlings-Stücks „Herr Rashu hört nicht auf zu nähen“ gibt es Streit ums Geld. Am Sonntag fiel die Vorstellung in Mössingen aus – weil die syrischen Darsteller streikten.

15.02.2017

Von Eike Freese

„Herr Rashu hört nicht auf zu nähen“ stellt unter anderem das Leid der Syrer in ihrer Heimat dar. Es soll für Verständigung sorgen. Archivbild: Franke

„Herr Rashu hört nicht auf zu nähen“ stellt unter anderem das Leid der Syrer in ihrer Heimat dar. Es soll für Verständigung sorgen. Archivbild: Franke

Ursprünglich ist es als Verständigungs-Stück geschrieben worden, dieses Theaterprojekt namens „Herr Rashu hört nicht auf zu nähen“ des Rottenburger Laien-Theaters am Torbogen. Syrische Flüchtlinge spielen mit Einheimischen gemeinsam ein Drama über den Krieg im Nahen Osten: Die Eigen-Inszenierung war als Vorzeige-Projekt für Völkerverständigung und Integration geplant und wurde vom Publikum stets entsprechend beklatscht. Mehr als ein Dutzend Mal begeisterte das Ensemble um Regisseurin und „Torbogen“-Leiterin Heidi Heusch in der Region. Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus Deutschland und Syrien standen gemeinsam auf der Bühne.

Doch jetzt ist erstmal Schluss damit: Bei einer Probe am vergangenen Samstagvormittag verlangten die syrischen Darsteller Gage für ihre bisherige Mitarbeit – fest vereinbarte Gage, wie sie sagen. Die Organisatoren des Theaters weigerten sich, sprachen von Erpressung und unrealistischen Forderungen, woraufhin die Flüchtlinge ihre Zusammenarbeit kurzfristig aufkündigten: keine Aufführung am vergangenen Sonntag in der Bästenhardtschule. Knapp 150 Vorab-Karten hatten die Veranstalter, die „Bürger für Bästenhardt“, da schon verkauft.

Bei der erwähnten Generalprobe am Samstag hatten die Darsteller aus Syrien darauf gepocht, dass ihnen Geld als Anerkennung für ihre Leistung im Stück versprochen worden sei. Immer wieder – und kaum einmal habe es etwas gegeben. „Deshalb ging es uns auch nicht nur ums Geld, sondern vor allem um Respekt und das Vertrauen gegenüber dem Theater“, sagt Fadi Al Ahmad, der die Hauptrolle in dem Stück spielt, dem TAGBLATT: „Immer wieder war davon die Rede, aber gekriegt haben wir kaum etwas.“ Al Ahmad ist Syrer und ausgebildeter Schauspieler, der sich auch abseits der Rolle fürs multikulturelle Bühnenspiel engagiert – etwa in einer Kinder-Theatergruppe. „Wir sind nicht Flüchtlinge, wir sind Menschen“, sagt er.

Heidi Heusch, Leiterin des Theaters, wehrt sich gegen die Vorwürfe: Das Theater am Torbogen sei dezidiert ein reines Amateur-Theater. Gagen für die Mitwirkenden, die die Aufführungen als Hobby und Leidenschaft betrachten, habe es nie gegeben. „Ich habe jedem Darsteller vom ersten Tag an klargemacht, dass es um Austausch, Integration und Freude geht – aber nicht ums Geld“, sagte Heusch dem TAGBLATT. Wohl aber habe man den Syrern immer mal wieder geholfen: etwa bei der Wohnungssuche, bei Verständigungsproblemen und, ja, in Einzelfällen auch mit dem einen oder anderen privaten Notbehelfs-Euro.

Klaus Conrad von den „Bürgern für Bästenhardt“, der die Veranstaltung organisiert hat, hat einen anderen Eindruck: Am Samstag noch, nach der Absage, versuchte Conrad, mit Anrufen sowohl die Syrer, als auch das sonstige Ensemble von der Absage abzubringen. Als das scheiterte, lud er die Flüchtlinge zu einem Gespräch über ihre Situation ein – am Sonntagabend, in die Bästenhardtschule. Zahlreiche Interessierte kamen, darunter Mössingens OB Michael Bulander. An diesem Abend schilderten die Flüchtlinge ihre Sicht der Dinge: dass es kaum Geld gäbe, dass Abmachungen gebrochen würden. „Viele waren empört, wie hier mit Flüchtlingen umgegangen wird“, sagt Conrad. Einige Bürger öffneten noch am Abend ihre Geldbeutel und sammelten über 500 Euro für die Darsteller. „Ich kann deren Wut gut verstehen“, sagt Conrad – und verweist auf eine Grob-Berechnung der Torbogen-Leiterin für den Abend in Bästenhardt: „Sechs Syrer, jeweils 100 Euro Entgelt“ heißt einer der Posten sinngemäß. „Was soll der Posten sein, wenn nicht Gage?“, fragt Conrad.

„Das wäre ein Gastspiel in Mössingen gewesen, und das wäre auch bezahlt worden“, sagt Torbogen-Mitarbeiterin Marie-Louise Dörflinger-Wagner aus Bodelshausen: „Der Posten beweist aber noch keine grundsätzliche Vereinbarung für Gage.“ Und Heidi Heusch rechnet vor: 60 Plätze hat das Theater am Torbogen. Selbst bei ausverkauftem Haus hätte man also gerade einmal die angeblich zugesagten „Gagen“ hereinbekommen – Technik, Licht und die Musiker nicht eingerechnet. Angesichts dieser Rechnung sei doch klar, dass man solche Versprechungen nie gemacht hätte.

„Das Theater bekommt 16 000 Euro Fördergeld, Eintrittsgeld und Kostenerstattung, aber wir bekommen kaum etwas“, sagt Hauptdarsteller Al Ahmad. Er allein hatte im September auf Nachfrage einen kurzen Werkvertrag bekommen, der ihm 200 Euro pro Aufführung für drei Abende zusichert. .„Wir waren in Sorge, dass die künftige Mitarbeit des Hauptdarstellers kurzfristig scheitert“, erklärt Regisseurin Heusch diese Entscheidung: „Im Nachhinein betrachtet hätten wir auf das und weiteres wohl nicht eingehen sollen.“

Die Theater-Leiterin zeigt sich verbittert, dass ein Laien-Stück, das mit Liebe vor allem als „freundschaftliches Miteinander“ geplant war, nun eine Geldfrage werde: „Niemand hier am Theater verdient hier einen Euro an den Stücken“, sagt Heusch: „Das ist ehrenamtlich und soll es bleiben.“ Tatsächlich gab es das Geld aus Berlin, die Einnahmen aus Karten und Gastspielen. „Doch es gibt auch die 950 Euro pro Abend für Profi-Musiker aus Freiburg und die 400 Euro für den Bus – und ungeheuer viele andere Posten“, so Heusch: „Wenn wir den Flüchtlingen mal Geld gegeben haben, war das aus Freundschaft oder mal eine Spende – wir wollten die Idee des Ehrenamtlichen aber nie aufgeben.“

Fraglich, ob bei der derzeitigen Gefühlslage der Akteure eine Einigung in Sicht kommen kann. „Es ist kompliziert“, zweifelt Al Ahmad. Und Heidi Heusch sagt: „Es ist einfach nur enttäuschend, dass unser Stück mit seiner Geschichte und seinem schönen Ziel plötzlich als Projekt von Unmenschen dargestellt wird.“ Herr Rashu wird vorerst wohl zu nähen aufhören.

Heidi Heusch

Heidi Heusch

Klaus Conrad

Klaus Conrad

Ziel des Stücks: Integration

Seit Januar 2016 läuft das Theaterstück „Herr Rashu hört nicht auf zu nähen“ des Theaters am Torbogen in Rottenburg: Es stellt Flucht und Leben von Syrern in Zeiten des Bürgerkriegs dar. Leiterin und Regisseurin Heidi Heusch hatte das Stück gemeinsam mit Flüchtlingen, unter ihnen Hauptdarsteller Fadi Al Ahmad, entwickelt. Der Bund fördert das Projekt aufgrund des integrativen Ziels.

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Erstellt:
15.02.2017, 00:59 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 53sec
zuletzt aktualisiert: 15.02.2017, 00:59 Uhr

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