Tübingen

Gefordert sind alle

Zu den sexuellen Übergriffen im Tübinger Epplehaus (Berichte vom 19. und 20. Mai) meldet sich dieser Leser zu Wort.

23.05.2017

Von Dieter Rössner, Tübingen

Die Debatte um die Vorkommnisse im Epplehaus könnte durch interkulturelle Erkenntnisse der Kriminalprävention versachlicht und auf Grundfragen des gewaltfreien Zusammenlebens gelenkt werden. Prävention gegen Gewalt setzt voraus, dass eine Institution sich klare Regeln gegen gewaltsames Verhalten gibt und diese lebt, das heißt, dass solches Verhalten (ohne Ansehen der Person) erkannt, benannt und sanktioniert wird.

Gefordert sind alle Beteiligten, von den Besuchern über die Betreuer bis zur Aufsicht. Dazu gehört auch die Unterstützung der Opfer. Nur so lässt sich verhindern, dass die Institution durch eingeschüchterte Opfer und ängstliche Betreuer vom fatalen Teufelskreis der Gewalt erfasst wird.

Die Gewaltfreiheit in der Institution ist die entscheidende Grundlage für den nächsten Schritt: die Integration der Störer. Für diese notwendige, ungleich schwierigere Aufgabe lassen sich der Präventionsforschung drei Grundelemente der Gewaltverhütung entnehmen: Anbindung an Menschen, Einbindung in Institutionen und sinnvolle Freizeitbeschäftigungen. Da haben alle Beteiligten – gerade die Pädagogen – ein Betätigungsfeld – nicht aber im Schönreden und Relativieren von Gewaltsituationen.

Ohne die Thematisierung von Gewalt ist Prävention unmöglich. Wer hinsieht und sie benennt, ist kein Denunziant, Rassist oder sonst was, sondern ein verantwortlicher Bürger. Das sollte man bei der Beurteilung des Oberbürgermeisters berücksichtigen.