Diskussion im Arsenal

Frauen in der Filmwelt: „Es wird sich viel tun – der Feminismus ist en vogue“

Im Arsenal diskutierten Absolventinnen der Hochschule für Fernsehen und Film München über die nötige Selbstbehauptung der Frau in der Filmwelt - international wie national.

10.03.2017

Von Lisa Heiberger

Kariane Höhn (ganz links) im Gespräch mit drei Filmemacherinnen: Ella Cieslinski, Leonie Stade und Gwendolin Stolz (von links) über geschlechterspezifische Ungleichbehandlung von Frauen in der Filmbranche.Bild: Heiberger

Kariane Höhn (ganz links) im Gespräch mit drei Filmemacherinnen: Ella Cieslinski, Leonie Stade und Gwendolin Stolz (von links) über geschlechterspezifische Ungleichbehandlung von Frauen in der Filmbranche.Bild: Heiberger

„Frauen machen Kino“ – großes Kino, um genau zu sein. Dies belegten Scharen von Filmliebhaberinnen, die am 8. März abends ins Kino Arsenal drängten. Deshalb mussten auch einige wegen Platzmangels auf großes Kino verzichten: „Geschichten aus Teheran“ (2014) heißt der Film der iranischen Filmproduzentin Rakhshan Bani-Etemad, der anlässlich des Internationalen Frauentags in Kooperation mit den Soroptimists International Reutlingen/Tübingen im Kino Arsenal gezeigt wurde. Episodenhaft verwob der Film einzelne Frauenschicksale miteinander und gab einen vielfältigen Eindruck der strukturell zementierten Ungleichheit der Geschlechter in der iranischen Gesellschaft. Doch Ungleichbehandlung ist auch ein internationales Phänomen.

„Wie entsteht Geschlechtergerechtigkeit?“, fragte daher noch vor Filmstart Kariane Höhn, denn diese Frage sei auch in der Filmwelt ein Thema. Nach der Filmvorführung moderierte sie das Gespräch der drei Absolventinnen der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München über das Thema „Was motiviert junge
Filmemacherinnen, sich in der männlich dominierten Filmwelt
zu behaupten und wie werden sie gefördert?“

Allen Filmemacherinnen sei gemein, dass sie Geschichten erzählen wollen. „Doch gibt es hierbei unterschiedliche Perspektiven von Frauen und Männern?“, fragte Höhn. Nach der Dokumentarfilmregisseurin Leonie Stade ist die Perspektive „immer personenbezogen“, es komme auf den Charakter des Menschen an. Die zentrale Frage sei: „Was braucht das Sujet?“ So sei es etwa bei ihrem Dokfilm über eine Münchner Prostituierte von Vorteil gewesen, Frau zu sein: „Dadurch konnte ich eine andere Beziehung zu ihr aufbauen.“

Mit Verweis auf die HFF München, an der von 25 Lehrbeauftragten nur fünf Frauen sind, fragte Höhn, wie es in der Filmwelt mit weiblichen Vorbildern aussehe. Darauf gab es unterschiedliche Antworten: „Ich wähle mein Vorbild nicht nach dem Geschlecht aus. Es kommt auf die Haltung an“, betonte Stade. Die Spielfilmproduzentin Gwendolin Stolz hingegen räumte ein, dass ihr ein weibliches Vorbild fehle: „Man kennt das Bild des kreativen männlichen Genies“, das am Set gerne auch mal cholerisch seine kreativen Ideen durchsetze. „Bei mir als Frau käme da spätestens vom Kameramann der Kommentar ‚Ey, hat die ihre Tage oder was?‘“

Damit illustrierte sie die geschlechtsspezifische Wertung von an sich gleichen Verhaltensweisen und traf im weiblich dominierten Publikum auf Zustimmung – hörbar am Geraune, am Kopfnicken sichtbar.

Um weibliche Vorbilder also auch in der Filmbranche zu fördern, „braucht es da eine Quote?“, fragte Höhn. Die Drehbuchautorin Ella Cieslinski berichtete, unter den Studierenden der HFF herrsche Konsens, „dass eine Quote nicht die Lösung sein kann, aber sie ist vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung.“

Auch Gwendolin Stolz zeigte sich skeptisch gegenüber der Quote, konstatierte aber: „Wenn sich von alleine nichts ändert, braucht man Instrumentarien.“ Sie spricht Filmproduzentinnen aber trotz größerer Hürden einen Handlungsspielraum zu: „Ich denke, schnapp‘ den Ball und spiel‘ doch mit!“

Diesen Ball spielte dann Kariane Höhn zurück: „Wie nehmen Sie denn den Ball, Frau Stolz?“ „Wir brauchen eine Cousinenwirtschaft“, antwortete diese und „wir müssen uns gegenseitig pushen“, um Frauen in der Filmbranche zu unterstützen. Doch „das Thema ist weitaus komplizierter“, räumte sie ein. Dass „statistisch gesehen weniger Filme von Frauen gezeigt werden“, wie Cieslinski äußerte, hat vielfältige Ursachen. Wie in anderen Berufen auch, „muss sich strukturell etwas ändern“, betonte Stade und formulierte das Schlusswort: „Ich glaube,
es wird sich in den nächsten Jahren viel tun – der Feminismus ist en vogue!“

„Kein Film bleibt für immer in der Schublade   – ob wir ihn dann gesehen haben oder nicht“, so heißt der letzte Satz in Rakhshan Bani-Etemads Film. Offen bleibt, wann die Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Schublade der Vergangenheit verschwinden und wer es noch miterleben wird.

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Erstellt:
10.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 51sec
zuletzt aktualisiert: 10.03.2017, 01:00 Uhr

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