Frantz

Frantz

Historisches Drama von François Ozon über die Freundschaft einer deutschen Kriegswitwe zu einem französischen Soldaten.

01.10.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Frantz

„Jeder Franzose ist für mich der Mörder meines Sohnes“, sagt selbst eine der anständigsten Figuren im neuen Film von François Ozon („Das Schmuckstück“). Die überwiegend schwarz-weiß bebilderte Geschichte führt zurück in die Zeit, als Deutsche und Franzosen Erbfeinde waren und sich die Jugend beider Länder auf den Schlachtfeldern massakriert hat. In den letzten Tagen des Ersten Weltkriegs hat es auch den deutschen Soldaten Frantz erwischt. Seiner Verlobten Anna (Paula Beer) bleibt nur der Grabstein auf dem Friedhof einer Kleinstadt.

Eines Tages trifft die junge Kriegerwitwe dort einen weinenden Franzosen. Dieser Adrien (Pierre Niney) behauptet, mit Frantz in dessen Pariser Studienjahren innig befreundet gewesen zu sein. Die ausgetauschten Erinnerungen knüpfen ein Band der Sympathie, womöglich sogar der Liebe, zwischen den beiden Trauernden. Auch bei Frantz‘ Eltern hat der rechtschaffene Kerl nach anfänglicher Zurückweisung, siehe oben, bald einen Stein im Brett. Doch dann lässt Adrien am Vorabend seiner Abreise eine Bombe platzen, die diese private Völkerverständigung massiv bedroht.

Im Rahmen dieses zwischenmenschlichen Dramas schwenkt Ozon immer wieder auf die politischen Verhältnisse kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Am deutschen Stammtisch rüsten Nazi-Vorläufer verbal schon zum Revanche-Feldzug gen Westen. Dem Gast aus Frankreich, später auch seinen aussöhnungswilligen Gastgebern, schlagen Argwohn und Hass entgegen. Doch auch in Frankreich, wohin Anna im zweiten Teil des Films reist, steht der Nationalismus in hoher Blüte.

Wie kann nach einem Krieg mit Millionen Toten Versöhnung bewerkstelligt werden – im Großen wie im Kleinen? Bewirkt eine Lüge unter Umständen Heilsameres als die unbarmherzige Wahrheit? Und gehen Frauen dabei vielleicht cleverer zu Werke als Männer? Die Antworten darauf fallen in diesem Remake eines 85 Jahre alten Dramas von Ernst Lubitsch komplexer aus, als es der rohe Plot vermuten ließe. Wie bei nur wenigen Regie-Zeitgenossen gehen in Ozons besseren Filmen, zu denen dieser zählt, Intellekt, Emotion und eine traumwandlerische Stilsicherheit Hand in Hand. Allein, wie er ein Gemälde von Edouard Manet leitmotivisch in die Handlung flicht, ist meisterlich.

Außerordentliches leisten auch die Schauspieler – allen voran die deutsche Newcomerin Paula Beer, deren subtiles Frauenporträt erfrischend quer zu den Klischees aus jener Epoche steht. Beim Festival in Venedig bekam sie dafür den Preis als beste Nachwuchsdarstellerin.

Dieses deutsch-französische Nachkriegstrauerspiel bringt Gefühl und Verstand perfekt in Einklang.

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Erstellt:
01.10.2016, 09:18 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 11sec
zuletzt aktualisiert: 01.10.2016, 09:18 Uhr

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Klex 05.12.201610:57 Uhr

Ein Superfilm: Superb gespielte und inszenierte Liebes- und Emanzipationsgeschichte. Politisch hochaktuell, weil sie zeigt, wie verheerend Nationalismus war und ist. Ozon macht m.E. zur Zeit weltweit die gleubwürdigsten, sensibelsten und sinnlichsten Beziehungsfilme, und er inspiriert besonders seine Schauspieleinnen zu Höchstleistungen.
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