Mix aus Neuem und Bewährtem

Elf Projektgruppen kamen bei der Option für Flüchtlingsneubauten zum Zug

Wie lässt sich gemeinsames Wohnen mit Flüchtlingen im Viertel bei günstiger Miete realisieren? Die Stadtverwaltung warb bei privaten Baugruppen, Initiativen und genossenschaftlichen Bauträgern um Ideen an sechs Standorten, wo Häuser mit Wohnraum für Flüchtlinge geplant sind. Seit gestern stehen die elf Projektgruppen fest, die eine Kommission unter 120 Bewerbungen aussuchte.

02.07.2016

Von Christiane Hoyer

Tübingen. „Wir sind vom Zuspruch überrollt worden.“ Tübingens Baubürgermeister Cord Soehlke freute sich über die vielen Bewerbergruppen „mit hohem Qualitätsanspruch“ und bedauerte beim gestrigen Pressegespräch, dass die Entscheidungskommission nur elf auswählen konnte. Soehlke betonte aber auch: „Wir haben einvernehmlich entschieden.“

Hauptkriterien für die Optionsvergabe waren nach Auskunft von Soehlke das lokale soziale Engagement eines Bewerbers, das er in dem geplanten Neubau innovativ umsetzen möchte. Ideen für „Nutzungsmischungen“ wie Gemeinschaftsräume wurden ebenso mitbewertet wie der Plan, die Wohnungen langfristig mit bezahlbarer Miete anzubieten. Der Aspekt, Flüchtlinge ins Quartier zu integrieren, war außerdem ein Vergabekriterium.

Der Oberbürgermeister Boris Palmer lobte die „sensationelle Leistung“ aller Beteiligten, besonders von Bauverwaltung und städtischer Wohnungsbaugesellschaft, innerhalb von neun Monaten ein Verfahren auf den Weg zu bringen, das „in Deutschland einmalig“ sei und kürzlich auch im Bundestag Erwähnung gefunden habe: Grundstücke zu finden, die sich für den Neubau zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen eignen und die Vorerfahrungen mit Baugruppen am Güterbahnhof oder der Alten Weberei zu nutzen.

Die Standorte in der Süd- und Nordstadt sowie in der Brückenstraße sind nach Ansicht von Palmer bestens geeignet, um die Voraussetzung für eine gelungene Integration zu schaffen. Diesen „Kraftakt können wir nicht beliebig wiederholen“. Erste Bürgermeisterin Christine Arbogast machte deutlich, dass eben auch die Pflicht der Stadt Tübingen, Flüchtlingen eine Anschlussunterbringung zu besorgen, die auf dem Wohnungsmarkt nicht zum Zuge kommen, in der Diskussion um die Optionsvergabe eine wichtige Rolle gespielt habe. Allein in diesem Jahr, so Arbogast, müsse die Stadt Wohnmöglichkeiten für rund 320 Flüchtlinge schaffen, erst 80 habe sie unterbringen können. Die Stadt könne da nicht überlegen, wer passt in welche Wohnung, sie müsse schlicht nach Bedarf handeln.

So kamen bei der Vergabe auch Bewerber zum Zuge, die laut Soehlke schon viel Erfahrung mitbringen und „zügig loslegen können mit dem Bauen“, darunter die Postbaugenossenschaft auf einem Grundstück in der Brückenstraße und das Siedlungswerk sowie die Kreisbaugesellschaft am Heuberger Tor. Die ausgesuchten Projekte „sind ein Mix aus konservativen und innovativen Konzepten“, sagte Soehlke.

Die stimmberechtigte Vergabekommission bestand aus den Bürgermeistern Soehlke und Arbogast und sieben Vertretern der Gemeinderatsfraktionen. Beratende Funktion hatten Stadtplanerin Barbara Landwehr, die Wohnraumbeauftragten Julia Hartmann und Axel Burkhardt, die Ortschaftsräte und Ortsbeiräte, Vertreter von Bürgerinitiativen und ein externer Fachmann.

Die ausgewählten Projektgruppen haben nun drei Monate Zeit, ihre Pläne und die Finanzierung auszuarbeiten. „Wenn alles gut läuft“, so Soehlke, könne man die ersten Bebauungspläne noch im September im Gemeinderat beschließen und Ende 2016 die ersten Baugenehmigungen erteilen. Der Baubürgermeister machte deutlich, dass bei dem jetzt gewählten Grundstücksvergabeverfahren die Architektur „keine Rolle spielte“.

Sollte die Stadt Tübingen weniger Wohnraum für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen benötigen, käme der jetzt geplante Wohnraum anderen Nutzern zugute, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind. Zum Teil sollen die Wohnungen 25 Jahre lang zirka 30 Prozent unterhalb der ortsüblichen Miete angeboten werden. „Wir wissen, dass es einen Riesenbedarf an bezahlbarem Wohnraum in Tübingen gibt“, so Soehlke. Priorität haben jetzt aber erst mal die Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus.

Weitere aktuelle Neubauten der GWG für Flüchtlinge

Die Wohnbauprojekte sollen an sechs Standorten in der Süd- und Nordstadt sowie in der Brückenstraße und im Teilort Bühl realisiert werden. Da es für Bühl nur eine Bewerbung gab, wird dieser gemeinsam mit dem Standort in Hirschau erneut ausgeschrieben. Für alle elf Projektgruppen, die jetzt zum Zuge kamen, wurden auch Nachrücker ausgewählt.

Die Stadt Tübingen plant Neubauten für Flüchtlinge an über 20 Standorten, einige davon wurden inzwischen mangels Bedarf oder aus anderen Gründen zurückgestellt, darunter der Parkplatz im Feuerhägle, der überbaut werden sollte.

Derzeit baut die GWG in der Europastraße, Schaffhausenstraße, Waldhäuserstraße und Ludwig-Krapf-Straße für Flüchtlinge.

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Erstellt:
02.07.2016, 02:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 53sec
zuletzt aktualisiert: 02.07.2016, 02:00 Uhr

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