Junge Leute mit Filmambitionen

Eine neu gegründete Produktionsfirma stellt ihren Erstling „Veneris“ im Tübinger Kino Arsenal vor

Ihr erster Kurzfim ist ein Psychokrimi, der das Pygmalion-Motiv zeitgenössisch bespielt. Den Film „Veneris“ und sich selbst stellt am nächsten Donnerstag um 20 Uhr im Arsenal die neu gegründete Produktionsfirma Wallside-Records vor.

23.07.2016

Von Peter Ertle

Eine neu gegründete Produktionsfirma stellt ihren Erstling „Veneris“ im Tübinger Kino Arsenal vor

Tübingen. Ein heruntergekommenes Haus. Ein junger Mann fährt mit dem Auto vor, steigt aus, löst mit dem Akkuschrauber die Verriegelung an der Tür. Irgendetwas in diesem Haus muss sicher vor der Außenwelt verwahrt werden.

Die kurze Sequenz stammt aus einem der beiden Trailer des Kurzfilms „Veneris“. Der andere Trailer wirft einen Blick auf das Innenleben des Hauses: Ein Lager auf dem Boden. Darin: Eine Frau, schön, verwahrlost, verängstigt. . .

Der ganze, zwanzigminütige Film führt beides zusammen. Man begreift: Die Frau wird hier gewaltsam festgehalten. Der Mann ist Künstler und nutzt sie als Modell, als lebende Puppe für seine ästhetischen und sexuellen Phantasien. Was die Übergriffe angeht, arbeitet der Film mit sprechender Symbolik, Andeutungen und Details - die es manchmal an Deutlichkeit nicht fehlen lassen. Der Rest bleibt der Phantasie des Zuschauers überlassen. Auch wird nicht klar, inwieweit die somnambul und traumatisiert wirkende Frau sich notgedrungen fügt oder in einem psychischen Abhängigkeitsverhältnis zum Künstler steht.

Im Kontrast zu den Szenen im abgewrackten, düsteren Haus stehen die Sequenzen in des Künstlers schickem, hellem, aufgeräumtem Atelier – und die Vernissage der Ausstellung mit adretten Gästen und einem gebildet-sonoren Ausstellungsredner. Mit seinen Worten beginnt der Film, mit ihm endet er.

„Veneris“, der Debütfilm von Autor und Regisseur Simon Fleck stellt eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Pygmalion-Mythos dar. Es ist gleichzeitig der erste Kurzfilm aus der auf sechs Folgen angelegten Anthologie „Punks and Gods“. Und das erste Produkt der von Lukas Mathiaschek und Martin Bride neu gegründeten Firma „Wallside Records“, die sich nicht nur Filmen, sondern auch anderen künstlerischen Produktionen widmen will. Junge Leute aus dem Raum Tübingen /Böblingen, teils berufstätig, teils studierend, mit viel künstlerischer Vision – und noch wenig Geld. Ihren Erstling haben sie mit den Einnahmen aus zwei Werbefilmen für die Autobranche gedreht. Für die nächsten Teile der Anthologie bauen sie auf Crowd funding und spekulieren mit Preisen auf deutschsprachigen No-Budget-Festivals, wie die ausführende Produzentin und Tübinger Literaturstudentin Nadja Weber erklärt.

Der gesamte Film wurde mit einer Spiegelreflexkamera aus der Hand gedreht, das Equipment ausgeliehen, die beiden Darsteller sind keine Schauspielprofis – die Hauptdarstellerin Olga Schaber hat immerhin Modelerfahrung – und machten alles für umsonst, insgesamt gab es nur sechs Drehtage. Das Unterfangen hat den Charme aller Anfänge. Dafür haben sie viel rausgeholt. Man wird in die Handlung reingezogen, der Streifen entwickelt die Spannung eines Psychokrimis und kommt fast ohne Worte aus – das macht ihn noch gespenstischer.

Wenn die Frau ihr Lager verlässt und auf dem Dachboden herumtapert, während ein aggressiver Künstler (Matthias Socha) die Tür aufsperrt, im Parterre nach ihr sucht und ein forderndes „Schatz!“ hinausschleudert, hält man den Atem an. Eine eigene Ästhetik, manch schöne Symbolik wie das ausgefallene Auge eines Teddybärs, klug eingesetzte Leerstellen: Der Film verrät nicht zu viel, zeigt aber genügend. Und niemand merkt, dass die Hauptdarstellerin vor allem bei Drehbeginn im März des öfteren fror – es gab ja keine Heizung in jenem baufälligen Haus in der Nähe des Rottenburger Bahnhofs, das sie mit freundlicher Genehmigung der Stadt als Drehort nutzen durften. Die Szenen der Vernissage wiederum wurden in einem Atelier des Kunstvereins Schorndorf gedreht.

Premiere ist am 28. Juli um 20 Uhr im Arsenal (19 Uhr Sektempfang). An diesem Abend stellt sich auch das Wallside-Records-Team vor, beantwortet im Anschluss an den Film Fragen und zeigt danach noch einen kurzen Werbeclip (in Kürze auch über die Plattform „Startnext“ abrufbar), der das Crowdfunding-Projekt vorstellt.

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Erstellt:
23.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 23.07.2016, 01:00 Uhr

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