Eine fantastische Frau

Eine fantastische Frau

Drama um eine junge chilenische Transgender-Frau, die nach dem Tod ihres Partners für ihr Recht auf Trauer kämpft.

11.06.2017

Von Dorothee Hermann

Was geschieht, wenn ein gutsituierter Familienvater alles hinter sich lässt und eine neue Liebe mit einer Transfrau lebt? Und was, wenn diese Frau vorsichtig anfängt zu glauben, sie habe endlich das Glück gefunden?

Der chilenische Regisseur Sebastián Lelio („Gloria“) konzentriertsich in seinem behutsam inszenierten Transgender-Drama auf die Perspektive der Frau (brillant: Daniela Vega als Marina). Und zwar dann, als es keine Aussicht auf ein Happy End mehr geben kann: Der Geliebte (Francisco Reyes als Orlando) stirbt unvermittelt am Abend von Marinas Geburtstagsfeier, die er genauso ausgerichtet hatte, wie sie es sich insgeheim ersehnte.

Mit Orlandos Tod scheint nicht nur das Glück, sondern alles, was Marina in ihrem noch keineswegs allgemein akzeptierten Anderssein geschützt hatte, schlagartig weggerissen. Gleichzeitig ist sie durch den Schock über Orlandos Tod besonders verletzlich. Ein Martyrium scheint vorgezeichnet, aber die Wunder dieses Films zeigen sich darin, wie sie in den hässlichen Konfrontationen besteht.

Im Krankenhaus begegnet man ihr mit Misstrauen, weil der Verstorbene eine blutende Wunde hatte. Orlandos Familie bringt die Polizei ins Spiel, und Marina stürzt aus der liebevollen Intimität in eine sehr harte Realität voller Demütigungen. Die Familie kann gar nicht schnell genug an Orlandos Besitztümer herankommen. Statt in ihrem Schmerz innehalten und trauern zu können, findet sich Marina in einer Art Verfolgungsjagd, von allen Seiten in die Enge getrieben. Man sieht, wie sie das quält, und wie sie doch nicht zusammenbricht.

Unter den selbsternannten Inquisitoren ist die Kriminalbeamtin, bei der nie ganz klar ist, ob sie tatsächlich Zweifel bezüglich Orlandos Todesursache hegt, oder ob sie etwas ganz anderes antreibt: nämlich Menschen wie Marina in die Schranken zu weisen und für immer als Außenseiter zu markieren.

Zeitweise ist es, als würde die Trauernde zur Projektionsfläche, auf die sämtliche herabwürdigenden Klischees herabprasseln, die die zeitgenössische Gesellschaft (nicht nur in Chile) für Transsexuelle aufzubieten hat. Marina durchmisst die Stadien der Entwürdigung und des Schmerzes und bleibt doch entschlossen, sich von dem toten Geliebten zu verabschieden. Am Ende erweist sie sich als die fantastische Frau des Filmtitels, die sich weit über ihre brutale bis handgreiflich feindselige Umgebung erhebt.

Bei der diesjährigen Berlinale erhielt das Drama einen Silbernen Bären und auch den Teddy Award für den besten queeren Spielfilm. Der Regisseur wird schon als chilenischer Almodóvar gehandelt.

Die Glanzleistung der Transgender-Darstellerin Daniela Vega trägt diese Liebesgeschichte über den Tod hinaus.