Konzert

Ein Wintermärchen im Ohren-Kino

Nordisch-düstere Töne und jugendliche Unbeschwertheit standen auf dem Programm des Sinfonea in Kusterdingen.

15.11.2016

Von Madeleine Wegner

Immer mehr zusätzliche Stühle mussten die Orchestermitglieder noch kurz vor Konzertbeginn herbei schaffen. So groß war der Besucher-Andrang in der Kusterdinger Turn- und Festhalle am Sonntagabend zum Konzert des Sinfonieorchesters Neckar-Alb (kurz: Sinfonea).

Das Licht im Zuschauerraum der Halle ging aus und das Orchester ließ ein leises Flimmern erklingen, dann ein Taumeln, dunkle Schritte, ein wilder Ritt und eine singende Flöte: Jean Sibelius‘ „En Saga“ ist wie ein Märchen im Ohren-Kino. „Skandinavische Musik klingt für manche Ohren fremd, schwermütig und komplex“, sagt Anton Holmer.

In deutschen Konzertsälen seien Werke nordischer Komponisten nicht so selbstverständlich vertreten, wie in vielen anderen Ländern. Anton Holmer ist in Schweden geboren, seit 2015 studiert er in Stuttgart Orchesterdirigieren. Holmer leitet als Gastdirigent das Sinfonea.

Das erst vor zwei Jahren gegründete Orchester besteht aus mittlerweile rund 60 Musikern, sie kommen aus der Region Reutlingen – Tübingen. Das Sinfonea probt jede Woche im Kusterdinger Klosterhof. Für die Konzerte holen sich die Laienmusiker zur Verstärkung einige Profis.

Jubelnden Applaus und begeistertes Füße-Trampeln gab es nach Mozarts Klarinettenkonzert und insbesondere für die Solistin Viviana Rieke.

Die 22-Jährige studiert ebenfalls an der Musikhochschule in Stuttgart. Am Sonntag überzeugte sie mit warmem Ton und sprudelndem Elan. Das Werk komponierte Mozart in seinem Todesjahr – acht Wochen, bevor er starb. Dass diese Musik dennoch voll von jugendlicher Unbeschwertheit und Humor ist, bewiesen Sinfonea und Solistin.

Im gleichen Jahr wie Sibelius‘ „En Saga“ entstanden war, schrieb der Däne Carl Nielsen 1892 seine Sinfonie No. 1. Da war er 27 Jahre alt. Diese Sinfonie gilt als typisch dänisch – durch Nielsens eigenwilligen Stil, reich an Melodien und Harmonien, die zwischen Dur und Moll schwanken. Ein Schüler Nielsens soll dieses Erstlingswerk mal als höchst organisierte erste Sinfonie eines 27-Jährigen bezeichnet haben. „Der witzige Däne mit einer großen Vorliebe für die Vergnügungen des Lebens“, so bezeichnete Gastdirigent Holmer den Komponisten. Schwungvoll und dynamisch präsentierte so auch die Sinfonea das Werk und steigerte sich zu beeindruckend kraftvollen Passagen.

Mal triumphierend, dann wieder ruhiger und gekrönt von einem fulminanten Abschluss: „Wow“, kommentierte schlicht eine Zuhörerin tief beeindruckt, als in der Turn- und Festhalle der letzte Paukenschlag verhallt war. Kultur auf hohem Niveau bei freiem Eintritt jedermann zugänglich zu machen – diesem Ziel hat sich das Sinfonea verschrieben. Mit gut 250 Konzertbesuchern dürften die Musiker ihr Ziel am Sonntagabend in Kusterdingen erreicht haben.

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Erstellt:
15.11.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 15sec
zuletzt aktualisiert: 15.11.2016, 01:00 Uhr

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