VfB Stuttgart

Ein Mann lebt rot

Klubpräsident Dietrich macht sich mit dem nötigen Elan daran, den Traditionsklub neu und vor allem zeitgemäß aufzustellen.

23.02.2017

Von ARMIN GRASMUCK

Ehrenamtlich und mit voller Kraft im Dienst des Vereins: Wolfgang Dietrich erscheint täglich gegen acht Uhr in seinem Büro auf der Geschäftsstelle des VfB, in den vergangenen Tagen leitete er auch noch die neuen Mitgliederausschüsse bis zehn Uhr am Abend. Foto: imago sportfotodienst

Ehrenamtlich und mit voller Kraft im Dienst des Vereins: Wolfgang Dietrich erscheint täglich gegen acht Uhr in seinem Büro auf der Geschäftsstelle des VfB, in den vergangenen Tagen leitete er auch noch die neuen Mitgliederausschüsse bis zehn Uhr am Abend. Foto: imago sportfotodienst

Stuttgart. Das Zusammenspiel zwischen dem Essverhalten und den Arbeitsweisen des Menschen ist wissenschaftlich nur mit wenig belastbaren Fakten dokumentiert. Wer Wolfgang Dietrich beim geschäftlichen Frühstück in der Klubgaststätte etwas genauer auf den Mund und die Hände schaut, kann aber vielleicht ein Gefühl dafür bekommen, mit welcher Lust er bei der Arbeit ist. Die Butterbrezel bricht er routiniert mit spitzen Fingern, der Blick bleibt konsequent dem Gesprächspartner zugewendet. Er kaut genüsslich, aber im Stakkato. Manches Wort serviert er, noch bevor das Essen die Speiseröhre erreicht hat. Der Präsident des VfB Stuttgart brennt, es ist auch knapp fünf Monate nach dem Antritt im Amt des Klubobersten deutlich zu spüren. Er spricht, er schiebt an, er reibt sich, nur damit der Funke überspringt. Selbst das Rührei hat keine Chance, kalt zu werden.

In guter Atmosphäre

„Es macht mir riesigen Spaß“, sagt Dietrich. „Es motiviert mich, wenn ich von Mitarbeitern, die schon länger hier arbeiten, höre: Die Stimmung ist so gut wie seit Jahren nicht. Alle ziehen an einem Strang. Die größte Bestätigung ist für mich, dass wir es geschafft haben, unsere Entscheidungen so herbeizuführen, wie ich es angekündigt habe: Wir diskutieren, wir entscheiden, und dann gehen wir damit nach außen. Aber natürlich trägt auch die sportliche Situation viel zu dem aktuellen Wohlbefinden bei.“ Vier Siege in den ersten vier Pflichtspielen des Jahres, sechs Punkte Vorsprung auf Platz drei – das höchst bedeutende Projekt Wiederaufstieg scheint sich 13 Spieltage vor dem Ende der Saison positiv zu gestalten. Der Präsident nimmt die 2. Liga ernst, auch wenn er den VfB zumindest mittelfristig wieder im Kampf um die Plätze, die zu dem Eintritt in einen der europäischen Wettbewerbe berechtigen, spielen sieht.

Er erinnert an die dunklen Momente, die es in der Hinrunde zu bewältigen gab. Die 0:5-Schlappe in Dresden, das bittere 1:2 im Spitzenspiel gegen Hannover und das 0:3 in Würzburg, mit dem die Stuttgarter in die Winterpause gehen mussten. „In anderen Vorständen wären da vielleicht Krisensitzungen anberaumt worden“, erklärt Dietrich. „Aber so etwas werden Sie von uns garantiert nicht hören.“

Aufrichtig und akribisch, mit der gebotenen Dynamik und relativ unabhängig von den aktuellen sportlichen Tendenzen arbeiten der neue VfB-Boss und die Kollegen aus dem Vorstand des Klubs, Stefan Heim, Jochen Röttgermann und Jan Schindelmeiser, daran, den Traditionsverein aus Cannstatt neu und vor allem zeitgemäß aufzustellen. „Die Abwärtsspirale ist gestoppt“, sagt Dietrich. Neun Monate nach der sportlichen Katastrophe, dem Abstieg aus der Bundesliga, die praktisch auf allen Ebenen finanzielle und personelle Einschnitte erforderte, scheint der Klub auf dem Weg, sich zu stabilisieren.

Stolz verweist der Präses auf den großen Zuspruch, den der VfB in den Monaten nach dem schweren Absturz erfahren hat. Die Zahl der Vereinsmitglieder ist seit vergangenem Sommer um etwa 4500 auf rund 49?000 gestiegen. In diesem Bereich sieht er großes Potenzial, das er mittelfristig ausschöpfen möchte.

Auf der Jahreshauptversammlung am 9. Oktober, als er zum Präsidenten gewählt wurde, hat Dietrich bereits angekündigt, dass er den Verein auch mithilfe von Mitgliederausschüssen zu kräftigen gedenkt. Zwei der drei geplanten und von ihm geführten neuen Gremien sind in den vergangenen Tagen bereits installiert worden: ein siebenköpfiger Ausschuss für die Vereinsentwicklung und ein Ausschuss für Mitgliederentwicklung, dem zwölf Personen angehören. „Es handelt sich um Experten in ihren Fachgebieten“, so erklärt Dietrich, „zum Beispiel ein Anwalt, der uns in juristischen Angelegenheiten beraten kann, oder der Marketing-Spezialist, der uns mit seinem Wissen weiterhilft.“

Brennpunkt Nachwuchs

Im Verlauf des Jahres wird noch der Ausschuss zur Entwicklung des Nachwuchsleistungszentrums folgen, dem unter anderem auch ehemalige Profis, die beim VfB ausgebildet wurden, angehören sollen. Die Leidenschaft und die Vehemenz, mit der Dietrich und seine Mitstreiter den Nachwuchsbereich angehen, dokumentiert, wie sehr ihnen dieses Thema unter den Nägeln brennt.

Der VfB, über Jahrzehnte bundesweit führend in der Jugendarbeit und stetiger Förderer von Jungprofis der höchsten Kategorie, hat seinen Nimbus in diesem Bereich innerhalb weniger Jahre und praktisch ohne Gegenwehr verloren, weil es an Weitblick und klugen Konzepten mangelte. Die potenziellen Profis von morgen kommen inzwischen immer öfter aus Hoffenheim und Leipzig.

Dietrich möchte mit typisch schwäbischen Tugenden dagegen halten. Einen auch von anderen Vereinen umworbenen Nachwuchskicker, den die Stuttgarter lieber heute als morgen verpflichten möchten, traf er – rein zufällig – vor ein paar Tagen in der Lobby des Hotels neben dem Stadion. Beim Frühstück. Und dann erzählte der Präsident dem Jungen, was er mit dem VfB vorhat.

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Erstellt:
23.02.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 21sec
zuletzt aktualisiert: 23.02.2017, 06:00 Uhr

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