Mit Engelszungen

Ein Hoch auf den faulen Sonntag!

Wir fleischgewordenen Arbeitsmaschinen rackern alle Tage und die halben Nächte dazu. Während die Journalisten Textboxen im Akkord verfüllen, bauen die Architekten der Zukunft in Turbogeschwindigkeit Hochhäuser und Hochgeschwindigkeitszüge, schlagen Schneisen in schneebedeckte Gebirge und untertunneln die Ozeane.

19.08.2017

Von Matthias Reichert

Zurück am Schreibtisch, betreiben sie Multitasking, tüfteln gleichzeitig an atemberaubenden Entwürfen, konferieren mit zig Projektpartnern und beantworten hunderte E-Mails.

In Reutlingen zeichnen weitere Architekten der Zukunft freihändig Stadtkreise auf Büttenpapier, bis das Stuttgarter Innenministerium im Viereck springt. Auch abends in den heimischen vier Wänden schmieden Konstrukteure des Fortschritts neue Pläne: Sie vermessen den Himalaya auf den Millimeter genau und träumen tief in der Nacht von künftigen Segnungen der Zivilisation. Im Schlaf fliegen sie zum Mars und pflanzen dort Kolonien in die unwirtliche Atmosphäre, schweben weiter zum Jupiter, bis sie die Grenzen des Sonnensystems verlassen, um die übrige Milchstraße zu besiedeln…

Genug, es reicht, die Synapsen funken SOS. Einmal abschalten, nicht immer nur funktionieren. Innehalten. Wann, wenn nicht jetzt? Morgen ist Sonntag, und wer will da schon arbeiten! Was bringt es denn, die Welt zu erobern und das Hier und Jetzt darüber zu vergessen? Auch wenn das Wetter nicht wirklich brillant werden soll: Zeit für eine Pause! Durch die Pomologie flanieren und in den trüben Augusthimmel schauen, träumen und träumen lassen, dazu eine Pizza Salami zum Mitnehmen vom Italiener um die Ecke. Den jungen Eltern nachsinnen, die mit ihren Kindern herumtollen, als wäre die Welt eine Frisbeescheibe. In der Wilhelmstraße ein Erdbeereis mit Sahne essen, anschließend auf dem Marktplatz mit den spielenden Jungen die trägen Tauben jagen, die am Brunnen auf dem Kopf von Kaiser Maximilian hocken und gurren.

Einen ganzen langen Tag so faul sein wie diese Tauben und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, den wir ansonsten mit unseren technischen Revolutionen längst auf den Schemel hinter dem Ofen gesetzt und dort vergessen haben. Wenn sich Kirchen und Gewerkschaften schon mal einig sind: Ein Hoch auf den faulen Sonntag! An diesem einen und einzigen Tag kostet die Welt nicht mehr als ein Lächeln.

Was, Sie müssen am Sonntag arbeiten? Dann eben nächste Woche. Oder übernächste Woche. Bitte gleich im Kalender notieren: Einen faulen Sonntag einlegen. Vielleicht kommt bis dahin ja auch der Sommer zurück.