Gedreht im Schönbuch und in Kirchentellinsfurt

Ein Film über Mitläufer: „Das alte böse Wir“ im Waldhorn-Kino

Der Film „Das alte böse Wir“ zeigt, was passieren kann, wenn der Gemeinschaftsgedanke über alles andere gestellt wird. Die Augen vor dem Unrecht zu verschließen, kann ebenso schuldig machen wie aktive Täterschaft.

13.01.2016

Von Dunja Bernhard

Lily Erlinger Bild: Bernhard

Lily Erlinger Bild: Bernhard

Rottenburg. Regisseurin Lily Erlinger und Produzentin Leslie-Alina Schäfer stellten sich nach der Vorführung am Montag im Waldhorn-Kino der Diskussion mit den 25 Zuschauern. Ihren halbstündigen Film „Das böse alte Wir“ drehten die Studentinnen der Filmakademie Ludwigsburg im Sommer 2013 in Bebenhausen, in Weil im Schönbuch, in Nürtingen und am Kirchentellinsfurter Baggersee. Weil sie den Film zuvor auf zahlreichen Festivals zeigen wollten, unter anderem in Toronto und Kyoto, kam er erst jetzt ins Kino.

In der Ankündigung steht als Spielort „Waldberg, ein abgeschottetes Dorf zur Zeit des Dritten Reichs“. „Stärke durch Zusammenhalt“ ist das Motto der kleinen Dorfgemeinschaft, in der der Bürgermeister das Sagen hat und Wächter (Männer mit aufgemalten, schwarzen Augenbinden) die Regeln überwachen. Wer in die Riege der Wächter aufgenommen wird, entscheidet ein Wettkampf. Die Anwärter müssen Mut, Willen, Ausdauer und Stärke beweisen. Gregor (Andreas Helgi Schmid) schubst beim Schwimmwettbewerb seinen größten Konkurrenten vom Steg und gewinnt.

Als Adrian (Gunnar Seidel) auf dieses Unrecht hinweist, schweigen alle Anwesenden außer Margerite (Christine Diensberg). Doch der stille Druck der Gemeinschaft ist so stark, dass sie verstummt. Adrian reicht Gregor zur Versöhnung sogar die Hand. Später entdeckt er durch Zufall, dass sich im Wald eine Opferstätte und ein Friedhof befinden. Jedes Jahr wird ein Dorfbewohner ausgelost, der den Wald betreten darf. Offiziell um die Botschaft „Stärke durch Gemeinschaft“ in die Welt hinaus zutragen. Doch Adrian weiß nun mehr. Als das Los auf Margerite fällt, zögert er, die weiße Augenbinden aufzusetzen, die alle tragen, die Margarite Spalier stehen. Doch dann tut er, was alle tun.

Durch sein Wissen hätte Adrian die Chance gehabt, Margerite zu retten. „Er ist sich bewusst, was er tut“, sagt Erlinger. Und doch sei er in die Scheinwelt geflüchtet. „Das passive ist genauso gewalttätig wie das aktive Tun.“ Alle zusammen hätten Macht gehabt und die Machtlosigkeit des einzelnen überwinden können.

Der Film ist in schwarz-weiß gedreht. Dies soll laut Erlinger das Dokumentarische des Fotojournalismus mit dem Surrealen und Abstrakten verbinden. Das Bedrückende komme in dem Film sehr gut rüber, sagte ein Zuschauer. Dieses: „Ich hätte etwas tun sollen, habe es aber nicht getan.“

Wie kam die Regisseurin auf die Geschichte? Sie sei in Deutschland geboren, aber in Amerika aufgewachsen, so Erlinger. Als sie eineinhalb Jahre vor den Dreharbeiten nach Deutschland zurückkehrte, sei sie erstaunt gewesen, wie aktuell die Geschichte des „Dritten Reichs“ noch ist. „Auch in den Köpfen von jungen Menschen.“ Die deutsche Kultur werde davon noch immer beeinflusst. Über die Helden, die Täter und die Opfer dieser Zeit gebe es viele Filme, sagte Erlinger. „Über die Mitläufer nur sehr wenige.“

Dass ein großer Zusammenhalt auch etwas Gutes bedeuten kann, erlebten die Filmemacherinnen am Set. Das Team sei hoch motiviert und engagiert gewesen, sagte Erlinger. Jeder habe Verantwortung übernommen, damit der Film gut werde. Nach sechs Tagen war der Film im Kasten. Die Schauspieler waren größtenteils Studenten. Komparsen kamen aus der Umgebung.

Info Der Film läuft ein weiteres Mal am Donnerstag, 11. Februar, um 18 Uhr im Waldhorn, dann aber ohne Regisseurinnen.

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Erstellt:
13.01.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 37sec
zuletzt aktualisiert: 13.01.2016, 01:00 Uhr

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