Ein Atem

Ein Atem

Das zum Thriller mutierende Drama erkundet die Krise Europas aus der Sicht zweier Frauen aus Athen und Frankfurt.

05.02.2015

Von Klaus-Peter Eichele

Ein Atem

Nach der Inselkomödie „Highway To Hellas“ ist dies der zweite Film, der sich mit dem schwierig gewordenen deutsch-griechischen Verhältnis beschäftigt, diesmal sehr ernsthaft und an wechselnden Schauplätzen. Im Mittelpunkt steht zunächst die junge Griechin Elena (Chara Mata Giannatou), die trotz abgeschlossenen Studiums keine Perspektive in ihrer Heimat sieht und gegen den Willen ihres Zukünftigen in Deutschland neu anfangen will. Tatsächlich bekommt sie in Frankfurt einen Job als Kindermädchen bei einer wohlhabenden Familie.

Die öko-spießigen Eheleute, deren Tagesablauf auf Excel-Tabellen vorgezeichnet ist, geben sich vorderhand zuvorkommend, doch in Konfliktsituationen lädt insbesondere Gattin Tessa (Jördis Triebel) ihren Beziehungs- und Berufsfrust rücksichtslos auf Elena ab. Der so aufgebaute Druck trägt dazu bei, dass der Babysitterin beim Hüten des Kindes eine folgenschwere Unachtsamkeit unterläuft.

An diesem Punkt tritt Regisseur Christian Zübert voll auf die Bremse des Migrationsdramas und erzählt die Geschichte fortan aus der Perspektive Tessas. Dabei stellt sich heraus, dass auch sie, die ihr Leben vermeintlich im Griff hat, permanent Schikanen und Demütigungen ausgesetzt ist. Doch trotz ähnlich leidvoller Erfahrungen kommt es nur zu einem kurzen Moment der Solidarität zwischen den beiden Frauen. Im übrigen benimmt sich die Deutsche, nachdem sie in Panik nach Athen aufgebrochen ist, in ihrem Gastland so unmöglich wie die Grapscher von Köln und zeigt sich blind gegenüber den Ursachen von Elenas Verhalten.

Über dieses klug konzipierte Doppel-Porträt hinaus, zeichnet der bisher mehr mit grob gestrickten Geschichten (zuletzt „Hin und weg“) aufgefallene Regisseur auch ein vielschichtiges Bild eines gespaltenen und zerfallenden Europas. Und arbeitet die menschlichen und psychosozialen Kollateralschäden des deutschen Dominanz-Gebarens gnadenlos heraus.

Die Lebenswege zweier Frauen werden zum Sinnbild für die Krise Europas. Sehenswert.

Zum Artikel

Erstellt:
05.02.2015, 11:11 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 52sec
zuletzt aktualisiert: 05.02.2015, 11:11 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport