Die Verführten

Die Verführten

Im amerikanischen Bürgerkrieg angesiedeltes Drama um Bewohnerinnen eines Internats, die von einem verwundeten Soldaten heimgesucht werden.

15.04.2017

Von Dorothee Hermann

Die Verführten

Ist es plausibel, dass eine Schulleiterin (Nicole Kidman als Miss Martha), die schon länger keinen Sex mehr hatte, zwangsläufig erschauert, wenn sie einen gut gebauten Verwundeten wäscht? Oder schlägt hier ein abgenutztes Klischee über Frauen ohne männlichen Partner zu? Meist setzt Regisseurin Sofia Coppola („Lost In Translation“, „Marie Antoinette“) lieber den Weichzeichner ein, um das Mädchenpensionat von Miss Martha Farnsworth zeittypisch zu präsentieren.

Dabei bleibt offen, ob es Dunst ist oder Pulverrauch, der in den Wäldern von Virginia hängt, im Jahr 1864, mitten im amerikanischen Bürgerkrieg. Artilleriefeuer im Hintergrund macht klar, dass die Mädchenschule (Französisch lernen, musizieren, sticken, Gartenarbeit) eine bedrohte Insel im Kriegsgetümmel ist.

Wie nahe der Kampfplatz herangerückt ist, erfährt die etwa elfjährige Amy (Oona Laurence), die beim Pilzesuchen im Wald auf den niedergestreckten Corporal John McBurney (Colin Farrell) stößt, einen aus der verfeindeten Yankee-Armee. Sie hilft ihm in ihr Pensionat, eine Südstaatenvilla mit blendend weißem, imposantem Säulenvorbau - zu lastend, um elegant zu sein, und vormals Statussymbol sklavenhaltender Plantagenbetreiber. Der Mann als Objekt der Frau(en) ist eine Umkehrung der Verhältnisse gegenüber der ersten Verfilmung des Romans von Thomas Cullinan durch Don Siegel, eine brachiale Männerphantasie mit Clint Eastwood in der Hauptrolle (1971).

Doch Coppola zeigt die Verhältnisse kaum weniger schematisch. Sämtliche weibliche Wesen im Haus konkurrieren sofort um die Aufmerksamkeit des Fremden (einschließlich der von Kirsten Dunst gespielten Lehrerin). Die einzigen, die solche Schemata unterlaufen, sind noch Kinder: Die barmherzige Amy und die abgründige Marie (Addison Riecke), die eine infernalische Idee hat. An der großartigen Kamera von Philippe Le Sourd liegt es nicht, wenn schwelende Emotionen nur angetippt werden und die Figuren mitunter wie Stichwortgeber agieren. Die Aufnahmen schaffen grandiose suggestive Räume.

Zu eindeutig ist der deutsche Titel: Im Original „The Beguiled“ schwingt neben Bezauberung und Betörung auch Täuschung mit.

Macht zu wenig aus der Idee, in einem historischen Szenario die Geschlechterverhältnisse umzukehren.

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Erstellt:
15.04.2017, 12:05 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 00sec
zuletzt aktualisiert: 15.04.2017, 12:05 Uhr

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