Was einen Arzt erwartet

Die Tübinger Mediziner wollen in einem modernen Lernzentrum die Lehre verbessern

Tübingen gehört zu den wichtigsten Studienorten für Medizin in Deutschland. Für moderne Lehre fehlen jedoch Hörsäle und Räume für innovative Unterrichtsformen. Die Fakultät plant deshalb ein Lehr- und Lernzentrum auf dem Schnarrenberg. Kosten: 30 Millionen Euro.

23.08.2016

Von Angelika Bachmann

Möglichst realitätsnah soll die Lernumgebung für Medizinstudenten im künftigen Lehr- und Lernzentrum auf dem Schnarrenberg gestaltet werden. So könnte das aussehen: In einem Übungsraum im Lehr- und Lernzentrum Essen wird der Alltag mit Patienten auf Station simuliert. Die Rolle des Patienten übernimmt ein Laienschauspieler. Hinter einem Spiegelfenster können Kommilitonen und Dozenten das Geschehen verfolgen, sind damit aber nicht im Zimmer präsent – und beeinträchtigen dort auch nicht die Atmosphäre. Bild: UK-Essen

Möglichst realitätsnah soll die Lernumgebung für Medizinstudenten im künftigen Lehr- und Lernzentrum auf dem Schnarrenberg gestaltet werden. So könnte das aussehen: In einem Übungsraum im Lehr- und Lernzentrum Essen wird der Alltag mit Patienten auf Station simuliert. Die Rolle des Patienten übernimmt ein Laienschauspieler. Hinter einem Spiegelfenster können Kommilitonen und Dozenten das Geschehen verfolgen, sind damit aber nicht im Zimmer präsent – und beeinträchtigen dort auch nicht die Atmosphäre. Bild: UK-Essen

Tübingen. Das Medizin-Viertel auf dem Schnarrenberg wächst. Neue Kliniken werden gebaut, von Forschungszentren flankiert. Doch um gute Ärzte und Wissenschaftler auszubilden, braucht es eine angemessene Infrastruktur für die Lehre. Und was Tübingen da bislang zu bieten hat, sei „nicht mehr zeitgemäß“, sagt der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Ingo Autenrieth.

Zum einen habe sich die Zahl der Studierenden in der Medizinischen Fakultät seit 2005 auf rund 3800 fast verdoppelt. Startet 2017/2018 der Studiengang für Pflege- und Hebammenwissenschaft, werden noch mehr Studierende Seminar- und Übungsräume benötigen. Und einen Platz im Hörsaal.

Zudem entsprechen die räumlichen Voraussetzungen einem Lehr-Konzept aus dem 16. Jahrhundert, als jede Klinik einen eigenen Hörsaal hatte und getrennt nach Fächern unterrichtet wurde, sagt Autenrieth. Moderne Lehre sieht anders aus. Da gibt es viel Unterricht in Kleingruppen, angehende Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten werden auch mal gemeinsam unterrichtet – weil man später schließlich zusammenarbeiten soll. Es gibt Laborräume, Operationssäle und Arztzimmer – nur für die Lehre. Zudem Besprechungs- und Sozialräume, wo sich Arbeitsgruppen zusammensetzen oder über einer Tasse Kaffee Ideen spinnen können.

Es gehe heutzutage nicht mehr nur darum, Faktenwissen zu vermitteln, erklärt Autenrieth. Studenten sollen darauf vorbereitet werden, was sie im Beruf erwartet. Als Arzt müsse man vielen Rollen gerecht werden. Man müsse Experte, Lehrer, Wissenschaftler sein, mit Patienten vertrauensvoll Gespräche führen können. Man brauche viele Kompetenzen. „So wie man die Krankenversorgung und die Forschung professionalisiert hat, sollte man auch die Lehre professionalisieren“, fordert Dekan Autenrieth.

Zwar wurden auf dem Schnarrenberg in den vergangenen Jahren ein kleines Lehrgebäude und ein so genannte „DocLab“ zur praktischen Anleitung für Medizinstudenten im klinischen Studienabschnitt gebaut. Das alles sei aber viel zu klein. „Wir platzen aus allen Nähten“, so Autenrieth.

Fakultät könnte die Hälfte der Kosten übernehmen

Auf dem Schnarrenberg soll deshalb ein Lehr- und Lernzentrum entstehen. Es gibt bereits ein präzises Raumprogramm, auch der Bauplatz ist bereits avisiert: am südlichen Rand des Schnarrenbergs, wo derzeit noch Personalwohnheime sind. Diese sind allerdings baufällig und werden demnächst durch Neubauten am Breiten Weg ersetzt. Die Fakultät rechnet mit Kosten von rund 30 Millionen Euro. „Derzeit prüft das Finanzministerium die Pläne“, sagt Autenrieth. 15 Millionen Euro würde die Fakultät aus Eigenmitteln einbringen.

Andere Hochschulzentren in Deutschland verfügen bereits über solche Lehrzentren, wie etwa die Universität Duisburg-Essen. Dort wird Zentrum das unter der Woche für die Lehre genutzt, am Wochenende für Weiterbildungen und Kongresse – wofür es auch in Tübingen einen immensen Raumbedarf gäbe, so Autenrieth.

„Wir hoffen, dass das Lehr- und Lernzentrum im Doppelhaushalt 2018/19 aufgenommen wird.“ Bis dahin wird die Not noch größer sein. Nicht nur weil neue Studiengänge mehr Studierende auf den Schnarrenberg ziehen. Auch die Augenklinik ist dann umgezogen. Und die neue Klinik hat im Gegensatz zur alten im Tal keinen Hörsaal mehr. Weitere Hörsaalplätze und Seminarräume fallen in den kommenden Jahren weg: etwa in der Biochemie (wird derzeit auf der Morgenstelle neu gebaut), in der alten Anatomie oder in der Alten HNO.

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Erstellt:
23.08.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 34sec
zuletzt aktualisiert: 23.08.2016, 01:00 Uhr

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