Drei Akkorde genügen

Die Rockband Status Quo spielt am 31. August in Rottenburg – wir sprachen mit Sänger Francis Rossi

Wie ein bodenständiger Lausbub wirkt Francis Rossi, als er sich am Telefon mit verstellter Kinderstimme meldet, so als habe einer seiner Enkel den Telefonhörer abgenommen. In seiner Wohnung in Surrey, einem Londoner Vorort, wenige Meilen entfernt von dem Viertel in dem er aufgewachsen ist, lebt der 68-jährige Rossi seit vielen Jahren.

19.08.2017

Von Martin Zimmermann

Wir haben mit Francis Rossi (links im Bild), Sänger, Gitarrist und Gründungsmitglied von Status Quo gesprochen. Hier steht er mit Richie Malone und John Rhino Edwards auf einer Berliner Bühne. Bild: Agentur

Wir haben mit Francis Rossi (links im Bild), Sänger, Gitarrist und Gründungsmitglied von Status Quo gesprochen. Hier steht er mit Richie Malone und John Rhino Edwards auf einer Berliner Bühne. Bild: Agentur

Private Geschichten behält er meist für sich. „Es ist nicht gut, wenn die Fans ihren Idolen zu nahe kommen, denn vielleicht ist der Star ja ein Arschloch und dann kann man die Musik nicht mehr genießen. Die Fans wollen nette Stars zum Anfassen, aber wir sind normale Menschen, die eben ein bisschen besser Gitarre spielen.“

Hat sein Italienisch verlernt

Während seine Katzen auf seinen Schultern herumklettern, kommt Rossi dann doch ins Plaudern. Er erzählt von seiner Kindheit, als die Mutter ihm verbot, außerhalb des Hauses italienisch zu sprechen, um dem Einwandererkind Diskriminierungen zu ersparen. „Ich bedauere heute, dass ich mein Italienisch verlernt habe. Ich finde Migranten sollten sich integrieren, aber ihre Sprache und Kultur nicht zu sehr verlieren. Welches Chinatown und welches indische Restaurant wollen die Leute denn in London noch besuchen, wenn die Chinesen und Inder nicht mehr wissen, wo sie herkommen?“, sagt Rossi.

Einige italienische Volkswaisen und Kinderlieder könne er aber noch. Zum Beweis trällert er einige Melodien in der Sprache seiner Eltern. Freunde fand Rossi durch die Musik. In einer Schulband, die zunächst Scorpions, später Spectres hieß, spielte er bereits mit dem späteren Status Quo-Bassist Alan Lancaster zusammen.

Dann traf er den im Dezember vergangenen Jahres verstorbenen Gitarristen Rick Parfitt, seinen kongenialen Partner bei Status Quo. „Ich lernte ihn am selben Tag kennen, wie meine spätere Frau. Er war mein Freund, bevor ich erst viel später herausfand, dass er Gitarre spielen konnte. Er wusste nicht, wie die Akkorde heißen, aber er konnte sie spielen“, erinnert sich Rossi.

Drei Akkorde genügten der Band für die meisten ihrer Songs. Selbstironisch kokettierten die Musiker immer wieder damit, widmeten sogar den Titel eines Albums der „Suche nach dem vierten Akkord.“ Das sei auch ein PR-Gag gewesen, lacht Rossi. „Die meisten Sachen im Jazz kommen mit vier oder fünf Akkorden aus. Es ist doch nicht so, dass du einen Song im Radio hörst und denkst, da fehlt noch ein weiterer Akkord. Musik sollte nicht zu abgehoben sein.“

Den Erfolg eines Hits könne man manchmal nicht erklären. Es gebe so etwas wie einen X-Faktor, dass die Leute irgendetwas in einem Lied oder einer Band spürten, was weder Musiker noch Management vorhersehen könnten. Vielleicht sei der X-Faktor auch nur Glück. Im Fall von Status Quo bestand das Glück darin, dass der Manager die Plattenfirma nach einigen Flops überzeugen konnte, der Band noch eine weitere Chance zugeben.

Mit der Gitarre auf die Toilette

Der erste Hit von Status Quo „Pictures of Matchstick Man“ aus dem Jahr 1968 sollte eigentlich auf die B-Seite der Single. Geschrieben hat Rossi ihn auf der Toilette, als er etwas komponieren wollte, was sich nach Jimi Hendrix anhört. „Ich habe damals mit meiner Frau und meiner Schwiegermutter zusammengewohnt. Wenn ich meine Ruhe haben wollte, habe ich mich mit der Gitarre auf die Toilette zurückgezogen. Es war ziemlich eng mit der Gitarre, aber ich habe dort einige Songs geschrieben.“

Es wurden noch ein paar erfolglose Singles im Stil von Matchstick Man aufgenommen, bevor die Band zum typischen Status-Quo-Sound fand, den Rossi als ursprünglichen Rhythm and Blues bezeichnet, „bevor Rhythm and Blues etwas ganz anderes wurde“. Eine Mischung aus Country, Blues, Pop und Rock sei es, alles Musikstile, deren Fans eigentlich nichts miteinander anfangen können. „Aber unseren Fans hat es gefallen“, sagt Rossi über seine Musik.

Wieder Spaß mit der Elektrischen

Das Image der ehrlichen Rockmusik für die einfachen Arbeiter gefällt Rossi, Status Quo komme bei den deutschen Fans in den Industriestädten, wie etwa im Ruhrpott und um Stuttgart herum besonders gut an. Aber unter ihren Fans gebe es auch Börsenmakler, Finanzbeamte und sogar eine Pornofilm-Produzenten. „Die Musik verbindet unterschiedliche Leute und das ist gut so“, sagt Rossi.

Zufrieden ist er auch mit dem Namen der Band, inspiriert vom Aufdruck „Quo Vadis“ an der Innenseite eines Schuhs, den ihr damaliger Manager trug. Zu den Alternativvorschlägen gehörten seinerzeit „The Queers“ und The Muhammad Alis“. Er sei froh, dass es nicht The Queers geworden ist. Erst kürzlich habe er sich mit jemand darüber unterhalten, dass es ein Beleidigung ist, wenn man einen Hetero für schwul hält, umgekehrt aber nicht. Deshalb mussten viele Menschen ihre Sexualität lange unterdrücken. „Auch wenn ich selbst nicht schwul bin, finde ich das sehr schade.“

Eigentlich hatten Francis Rossi und Rick Parfitt geplant, eine letzte gemeinsame Tournee mit elektrischen Gitarren zu spielen. Dann wollte Parfitt aussteigen und Rossi mit der Band nur noch akustisch auftreten. Nach dem gesundheitlichen Problemen Parfitts im Herbst wurde ein Ersatzmann zunächst temporär engagiert und nach Parfitts Tod kurz vor Weihnachten fest verpflichtet. „Ich bin emotional ein bisschen verwirrt, weil es mit dem neuen Mann so gut läuft und ich wieder soviel Spaß habe mit der elektrischen Gitarre.“

Er fühle sich ein bisschen schuldig gegenüber Parfitt, sagt er. „Wir kannten uns seit wir 16 waren und haben viel miteinander durchgemacht.“ Nach Parfitts Tod habe er eigentlich aufhören wollen. Aber es gab nun mal Verträge. „Und jetzt haben wir in Wacken gespielt und es war so gut mit den Fans. Vielleicht muss man einfach akzeptieren, dass Verluste von lieben Menschen zum Leben dazugehören und dass es trotzdem weiter geht.“

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Erstellt:
19.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 45sec
zuletzt aktualisiert: 19.08.2017, 01:00 Uhr

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