Arbeitskampf · Jetzt wird am UKT doch gestreikt

Die Pflegekräfte am Uniklinikum wollen mehr Personal · Sie legen am Mittwoch die Arbeit nieder

Eigentlich wollten die Pflegekräfte am Uniklinikum Tübingen (UKT) schon vor einem Monat für mehr Personal streiken – die Arbeitergeberseite beantragte aber eine einstweilige Verfügung, die Gewerkschaft Verdi sagte die Aktion deshalb ab. Am Donnerstag haben sich beide Seiten erneut getroffen, herausgekommen ist dabei aber nichts.

09.12.2017

Von Michael Frammelsberger

Demonstranten fordern mehr Personal fürs Klinikum
© ST 02:25 min
Über 1000 Demonstranten zogen am Mittwochabend durch Tübingen: Sie forderten mehr Personal für die Uni-Kliniken im Land. In Tübingen waren die Beschäftigten am Mittwoch im Warnstreik: Damit wollten sie ihrer Delegation in der laufenden Tarifverhandlung den Rücken stärken. Sie machten lautstark klar: Es geht ihnen weniger ums Geld, sie wollen eine bessere Pflege. Video: Schneck/Bleeser

„Es wurde klar, dass die Arbeitgeber nicht dazu bereit sind, über unsere Punkte zu sprechen“, sagt Personalratsvorsitzende Angela Hauser. Die Gegenseite spiele auf Zeit, sagt auch Verdi-Bezirksgeschäftsführer Benjamin Stein.

Mindestbesetzung gefordert

Die Pflegekräfte wollen am UKT festgeschriebene Personal-Mindestbesetzungen für alle Bereiche, beginnend bei der Pflege. Dazu soll es ein „Konsequenzenmanagement“ geben, das festlegt, was passiert, wenn diese Standards nicht eingehalten werden. „Das kann dann bis zu Bettenschließungen gehen, auch wenn das natürlich nicht der erste Schritt ist“, sagt Hauser.

Die Arbeitgeber wollen die Situation, wie in den vorherigen Verhandlungen, erst analysieren. Sie hatten den Arbeitnehmern vorgeworfen, sie würden die Lage viel zu pauschal betrachten, Probleme gäbe es maximal im Einzelfall. „Analysemöglichkeiten gibt es seit Gründung des Uniklinikums“, widerspricht Hauser. Die Probleme seien bekannt, jetzt müsse gehandelt werden.

Verhandelt wird nicht nur über die Lage in Tübingen, sondern auch über die Situation an drei weiteren Uniklinika im Land. Diese Einrichtungen haben einen gemeinsamen Tarifvertrag. Der Arbeitgeberverband der Uniklinika Baden-Württemberg (AGU) machte nun noch ein weiteres Angebot: Er will landesweit 100 Stellen für Springer schaffen, die bei Engpässen aushelfen können. Da das UKT nur das drittgrößte Uniklinikum ist, wären das etwa 22 Stellen für über 100 Stationen, kritisiert Hauser. „Ein Springerpool wäre sicher eine Hilfe, aber das hätten die Arbeitgeber schon längst machen können.“ Außerdem werde das Grundproblem so nicht gelöst.

Die Situation am UKT sei ein Thema der Öffentlichkeit, betonen die Arbeitnehmervertreter. Deshalb soll es nächste Woche auch mehrere Aktionen geben. Am Montag, 11. Dezember, hat das „Tübinger Bündnis für mehr Personal in unseren Krankenhäusern“ um 18 Uhr zu einer Veranstaltung auf den Marktplatz eingeladen. Unter dem Motto „Aus voller Kehle für die Pflege“ soll singend auf den Pflegenotstand hingewiesen werden.

Am Mittwoch, 13. Dezember, wird dann am UKT ganztägig gestreikt. Um 17 Uhr gibt es eine Demo von der Frauenklinik bis in die Karlstraße. 1000 Demonstranten werden von Verdi erwartet, auch Delegationen aus anderen Kliniken haben sich schon angekündigt.

Die Klinikleitung ist naturgemäß vom Streik nicht begeistert. Dass Verdi auf die Bemühungen der Arbeitgeber mit einem Streik reagiere, könne man nicht nachvollziehen, so UKT-Vorstandsvorsitzender Prof. Michael Bamberg. Streit gibt es auch – wie beim letzten angekündigten Streik – um die Notdienstvereinbarung. Vor fünf Wochen war diese nicht zustande gekommen, da Verdi einzelne Stationen komplett schließen wollte. Die Klinikleitung hatte die Wochenendbesetzung als Minium gefordert. Verdi macht nun aber wieder den gleichen Vorschlag – den die Klinikleitung erneut ablehnt. „Mit dieser Besetzung können wir nicht sicherstellen, dass unsere stationären, oft schwerkranken Patienten umfassend versorgt werden können“, so Bamberg.

Im Gegensatz zur geplanten Aktion vor einem Monat soll dieses Mal nur ein statt zwei Tage gestreikt werden. „Wir sind gesprächsbereit und wollen die Verhältnismäßigkeit wahren“, so Stein. Dafür gibt es am 14. Dezember auch am Uniklinikum Freiburg einen Ausstand.

Rund 100 Pflegekräfte demonstrierten im November am Holzmarkt für mehr Personal auf den Stationen. Bild: Metz

Rund 100 Pflegekräfte demonstrierten im November am Holzmarkt für mehr Personal auf den Stationen. Bild: Metz

Kaum zumutbare Arbeitsbedingungen

Wie schwierig es für die Pflegekräfte am UKT ist, erzählten gestern bei der Pressekonferenz zum Streik zwei Pflegerinnen. „Einspringen aus dem Frei gehört zur Normalität“, sagte Lena Weigold. Im Nachtdienst komme auf ihrer Station eine Pflegekraft auf 15 Patienten. Die meisten von ihnen könnten sich nicht selbst versorgen. Wenn mehrere gleichzeitig klingelten, müsse einer warten. „Die Stimmung bei uns ist gelegentlich sehr angespannt“, erklärte Weigold. „Es frustriert sehr, dass wir nicht machen können, was notwendig ist.“

Noch problematischer ist die Lage in der Station von Julia Griesohn. Hier kümmern sich zwei Pflegekräfte um 20 Betten. Außerdem müssen sie sich um die Patienten der etwa 15 Operationen am Tag kümmern. „Viele Kolleginnen hören auf, weil sie den ganzen Tag nur herumrennen müssen wie Roboter“, sagte Griesohn. Sie hätten keine Zeit sich um die Patienten zu kümmern, sondern müssten nur auf die Uhr und „Kostenstellen“ achten. „Die Hilflosigkeit, dass man sich nicht um die Menschen kümmern kann, kotzt ganz schön an.“ Viele Krankenschwestern hätten wegen der schlechten Situation Angst davor, bei einer Erkrankung selbst in ein Krankenhaus zu müssen.

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Erstellt:
09.12.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 09.12.2017, 01:00 Uhr

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