Die Kommune

Die Kommune

Tragikomödie des Dänen Thomas Vinterberg über eine Handvoll nicht mehr ganz junger Leute, die eine Kommune gründen.

12.02.2016

Von Dieter Oßwald

Die Kommune

Die üblichen Klischee-Verdächtigen – weitschweifiges Politpalaver, Kiffer-Gemütlichkeit und Orgien – bleiben in Thomas Vinterbergs autobiografischem Drama über das Leben in einer Groß-WG im Kopenhagen der 1970-er Jahre außen vor. Mit seinem Figurenkabinett demonstriert er vielmehr, dass es ziemlich hart sein kann, sich von bürgerlichen Normen zu lösen.

„Ich will ankommen!“, betont Familienvater Erik, der eine frisch geerbte Villa zur Kommune umfunktioniert. Lebensgefährtin Anna und die gemeinsame 14-jährige Tochter sind begeistert von dem Plan. Immer mehr alte Freunde und neue Bekannte ziehen in das gutbürgerliche Haus. Trotz kleinerer Scharmützel im Alltag und fehlendem Geld in der Bierkasse entwickelt sich das Leben in der Gemeinschaft recht gesellig.

Dann allerdings passiert dem erfolgreichen Architektur-Dozenten Erik am Arbeitsplatz ein Missgeschick, das weitreichende Konsequenzen hat: Eine kleine Affäre mit einer jungen Studentin gedeiht zur großen Liebe. Dem Zeitgeist gemäß, gibt sich die ausrangierte Anna zunächst verständnisvoll und lässt die Rivalin gar als neue Mitbewohnerin in der Villa Kunterbunt gewähren. Doch die Harmonie ist trügerisch, die liberale Fassade blättert schneller als gedacht, und alsbald fliegen die Fetzen unter den zunehmend gereizten Beteiligten.

Wie einst in „Das Fest“ seziert Vinterberg die emotionalen Höhen und Tiefen des Familienlebens und das Chaos aus Lügen und Liebe. Ins Hintertreffen geraten derweil die übrigen Bewohner, aus deren Eigenheiten man sicher mehr dramatische oder komödiantische Funken hätte schlagen können.

Doch auch in der Beschränkung auf die Dreier-Kiste funktioniert die Dramödie durchaus kurzweilig. Das liegt zum einen an den geschliffenen Dialogen, vor allem aber an dem exzellenten Ensemble. Ulrich Thomsen („Zweite Chance“) überzeugt als schwer verliebter Familienvater mit sichtlich schlechtem Gewissen, derweil Trine Dyrholm als seine tief verletzte und verunsicherte (Ex-)Partnerin eine emotionale Tour-de-Force liefert, für die sie auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde.

Wie immer bei „Dogma“-Mitbegründer Vinterberg gilt: Dänen lügen nicht! Auf sein nächstes Werk darf man gespannt sein: Er verspricht eine Hymne auf den Alkohol.

Eine Leben ohne Eigentum und Besitzanspruch – das wird in diesem Film zum harten Los.

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Erstellt:
12.02.2016, 09:36 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 03sec
zuletzt aktualisiert: 12.02.2016, 09:36 Uhr

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Klex 27.04.201616:27 Uhr

Psychologisch und kulturhistorisch scharfer Blick in die Siebzigerjahre mit zwei starken Frauen und einem für Vinterbergs Verhältnisse erstaunlich schwachen Mann. Nicht ganz so wuchtig wie ,,Das Fest" oder ,,Die Jagd", aber sehr spannend und sehenswert.

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