Die glorreichen Drei von der Echaz

Die Kirchentellinsfurter Firma Stars & Stripes sorgt für das textile Western-Feeling in ganz Europa

Hollywood sei dank: der Geruch von Freiheit und Abenteuer, den die Western-Filme bis in die 1960er Jahre transportierten, zog ein riesiges Geschäft nach sich. Western wurde Kult: Im Merchandising-Angebot liegen Hüte, Westen, Jacken, Hemden, Gürtel und Schuhe. Robert Kastori begann 1982 mit dem Verkauf in einer Garage, heute ist er einer der erfolgreichsten Großhändler in Europa.

22.05.2016

Von Manfred Hantke

Drei von Stars & Stripes: Michaela Kastori, Ehemann Robert und Sohn Simon. Auch die Harley gehört irgendwie zum Western-Kult dazu.

Drei von Stars & Stripes: Michaela Kastori, Ehemann Robert und Sohn Simon. Auch die Harley gehört irgendwie zum Western-Kult dazu.

Kirchentellinsfurt. Abenteuerlich beginnt auch die Geschichte von Robert Kastori. Den gelernten Automechaniker aus Reutlingen trieb es kurz nach seiner Ausbildung 1981/82 mit zwei Freunden in die USA. Ein halbes Jahr waren sie dort, jobbten sich durch die Angebote, arbeiteten auf einer Farm, „lebten wie die Cowboys“, so Robert Kastori. Bei einem Besuch in Mexiko kam der damals etwa 20-Jährige auf die Idee, mexikanische Kleidung in Reutlingen zu verkaufen. Kastori flog zurück, seine beiden Freunde blieben in den USA und heirateten dort.

In Unterhausen mietete Kastori eine Garage, doch der Vater bestand auf einen richtigen Laden. Den gab’s dann bald in der Lederstraße am damaligen Busbahnhof. Der Verkauf deckte aber nur die Kosten, vier Jahre lang hielt Kastori durch.

1984 kam die Wende, ausgerechnet durch einen Betrug. Kastori traf einen Mann, der ihm für 300 D-Mark (etwa 150 Euro) die Erlaubnis „verkaufte“, auf einem Trucker-Treffen in Karlsruhe seine Western-Klamotten anzubieten. Eine Quittung über den gezahlten Betrag gab’s auch. Kastori packte alles ein, was er hatte, fuhr mit seiner Frau Michaela und samt Wohnwagen, Hänger und Zelt im April zum Gelände.

Doch die Organisatoren wussten nichts davon, niemand kannte den vermeintlichen Stellplatz-Verkäufer. Da Kastori aber nun einmal da war, wollte er auch da bleiben. „O.K.“, sagten sie, „gib 500 Mark, dann darfst du verkaufen.“ Der Reutlinger zahlte abermals – und hatte verdammt viel Glück.

An diesem Wochenende nahm er 8000 Mark ein; so viel, dass er die laufenden Rechnungen zahlen konnte. Doch Kastori hatte seine Klientel gefunden. Von nun an fuhr er von Festival zu Festival, „jahrelang war ich der einzige auf den Trucker-Treffen“, sagt er. Das Geschäft florierte – ob in Passau, Hof oder in Geiselwind.

Ex-Boss-Chef lud zur

Mega-Western-Party

Bald wurde der Hänger zu klein. 1986 investierte Kastori 50 000 Mark, legte sich einen Riesen-Truck zu: der Auflieger Baujahr 1963, der Sattelzug 1978. Ursprünglich zogen Schausteller damit durchs Land, später diente er der Motorrad-Firma Kawasaki als Werkstattwagen. Damit fuhr der Einzelhändler 15 Jahre lang herum. Jeden Sommer war er sechs bis acht Wochen am Stück unterwegs, sagt er. Im Winter mietete er sich in der Reutlinger Wilhelmstraße ein, während die Eisdiele Pause machte.

Seinen Großhandel mit Western-Kleidung startete Kastori 1988 mit der Firma Stars & Stripes. „Ich war reif dafür, ich wusste, wie’s geht“, sagt der heute 54-Jährige. Als dann auf den großen Festivals die Konkurrenz aufkam, machte er mit ihnen Verträge und belieferte sie. Einzel- und Großhandel liefen so bis 1998 nebeneinander her. Seitdem beliefert er mit seiner Firma Stars&Stripes nur noch Einzelhändler.

Nach Umzügen innerhalb Reutlingens kam die Familie Kastori im April vor zehn Jahren nach Kirchentellinsfurt. Dort in der Johannesstraße sind auf 2100 Quadratmetern Lager und Büro vereint. Vor gut vier Jahren stieg der Sohn Simon ins Geschäft ein. Der studierte Mode-Designer entwirft auch Western-Kleidung. Und Ehefrau Michaela kümmert sich auch um den jährlich neu erscheinenden Katalog. Dafür fliegt die Familie eigens in die USA, lässt Models etwa auf der Ranch von Monty Roberts, Autor und Pferdeflüsterer, ablichten.

Neben der Western-Kleidung für Frauen und Männer gibt’s natürlich auch die Accessoires wie Gürtel, Hosenträger, Schnallen, Handtaschen, Schmuck, Bilderrahmen und Hutfedern. Kastoris Angebot hat sich inzwischen aber auch auf andere Szenen erweitert – etwa auf Rockabilly, der Mode der 1940er und 1950er Jahre, und Line Dance.

Kastori hat längst sein Netz über ganz Europa gespannt, hin und wieder liefert er auch nach Bahrain oder in andere Golf-Staaten. Frankreich ist jedoch mit Abstand das Land, in dem er am meisten absetzt. In Deutschland ist Bayern der größte Markt für Western-Kleidung. Europaweit verkaufen rund 700 Einzelhändler seine Western-Hemden, -Schuhe und -Hosen an ihre Endkunden.

Seine Fühler hat Kastori sogar ins Mutterland des Western-Kults ausgestreckt. Die eine und andere Kette zeige Interesse an seinen Produkten, sagt er. Die USA seien ein „Riesenmarkt“, dort werde der authentische Western Style noch gelebt. Das derzeit diskutierte TTIP-Abkommen käme Kastori gelegen, glaubt er. Doch seinen Namen „Stars & Stripes“ könne er dort wohl nicht schützen lassen.

Der Western-Kult erlebt wie alle Moden Höhen und Tiefen. Wenn etwa ein Film besonders gut ankommt, merkt Kastori das. „Der mit dem Wolf tanzt“ trieb die Verkaufszahlen in die Höhe ebenso die US-Fernsehserie Dallas. Auch Madonna hat Trends mit ihren Hüten geliefert, sagt Kastori. Die Firma setzt natürlich auch selber Trends: ein Hemd mit aufgesticktem Adler, ein Hausschuh in Western-Optik oder ein geschnürter Western-Schuh waren Verkaufsschlager.

Zu seinen Kunden zählt Stars & Stripes Chanel, Disney in Paris, das Kaufhaus KaDeWe in Berlin oder Ives Saint Laurent. Vor Jahren lud der Ex-Boss-Chef Werner Baldessarini Promis zur Western-Party und bestellte bei Kastori das gesamte Equipment. Beim „Kostümball“ konnten sich alle nach Belieben einkleiden. Die Einladung war natürlich aus Leder, DIN A4-groß mit eingestanztem Text. Auf der Rückseite war die Anfahrtsbeschreibung: eine Skizze wie bei einer Schatzsuche. Kastori: „Wenn’s um Western geht, dann bin ich dabei“ – ob bei Film-Premieren oder Ferrari-Partys.

Western-Kleidung aus den USA war „Made in China“

Die Firma Stars & Stripes gründete Robert Kastori 1988. Seit 2006 ist der Sitz in Kirchentellinsfurt. Die Firma hat acht Beschäftigte, verkauft nur an Einzelhändler. Über den Umsatz gibt es keine Angaben. Allein vom deutschen Markt könne die Firma nicht existieren, sagt Kastori, sie sei nur profitabel, weil sich der Markt auf ganz Europa erstreckt. In Deutschland gebe es noch zwei Konkurrenten. das Design wird in Kirchentellinsfurt gemacht, produziert wird in Mexiko, Kolumbien, Pakistan, China, Indien und in der Türkei. Früher kaufte Kastori auch Kleidung aus den USA, da aber stand „Made in China“ drauf, sagt er. Alljährlich lädt Stars & Strips zur Hausmesse, zu der etwa 200 geladene Gäste kommen. In diesem Jahr war auch die Country-Band Truck Stop dabei, die spontan aufspielte.

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Erstellt:
22.05.2016, 00:45 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 01sec
zuletzt aktualisiert: 22.05.2016, 00:45 Uhr

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