Branchenvielfalt sticht heraus

Die IHK-Reutlingen stellt Ergebnisse einer Wirtschafts-Analyse der Region Neckar-Alb vor

Die Vielzahl an Branchen stärke die Region Neckar-Alb , allerdings verliere diese dennoch viele Fachkräfte an Nachbarregionen. Zu diesem Ergebnis kam das Stuttgarter Forschungsinstitut Prognos, das im Auftrag der IHK Reutlingen die Wirtschaftsstruktur analysiert hat.

18.03.2016

Von Maik Wilke

Acht Prozent der Region Neckar-Alb mit den Landkreisen Tübingen, Reutlingen und Zollernalb ist für Gewerbeflächen bestimmt. Damit liegt die Region hinter Ulm, Heilbronn, dem Nordschwarzwald sowie Spitzenreiter Stuttgart.Grafik: Prognos

Acht Prozent der Region Neckar-Alb mit den Landkreisen Tübingen, Reutlingen und Zollernalb ist für Gewerbeflächen bestimmt. Damit liegt die Region hinter Ulm, Heilbronn, dem Nordschwarzwald sowie Spitzenreiter Stuttgart.Grafik: Prognos

Reutlingen. Die Prognos AG teilte ihre Untersuchung in sechs Bereiche auf: Verkehr und IT-Infrastruktur, Fachkräftemarkt, Forschung, Gründungen, Tourismus sowie Profilierung. „Wir haben heute zwar fast eine Vollbeschäftigung hier im Raum, aber wir wollen uns auf Zeiten vorbereiten, die nicht so rosig aussehen“, erklärte der Präsident der Industrie- und Handelskammer Reutlingen, Christian Erbe, gestern bei der Vorstellung der Analyse. Die gewonnen Daten seien nun die Basis für die weitere Entwicklung der Region mit den Landkreisen Tübingen, Reutlingen und Zollernalb.

Als großes Manko stellt Tobias Koch von Prognos heraus, dass viele Fachkräfte zwar in der Region wohnen, zum Arbeiten aber in wirtschaftsstärkere Nachbarstädte pendeln: 61000 Aus- stehen 35550 Einpendlern gegenüber, was ein Saldo von 25450 ergibt. Den Großteil verliert die Region allein an Stuttgart (9000) und Böblingen (8500), erklärt Koch.

Doch obwohl die Region Neckar-Alb von Pendlern geprägt sei, würden die überregionalen Verkehrsverbindungen ein erhebliches Defizit aufweisen. Deutschlandweit bräuchten Autofahrer im Schnitt 18 Minuten zur nächsten Autobahn, erklärt Koch. „Im Kreis Tübingen ist der Anschluss mit etwa 17 Minuten noch gut, doch schon im Zollernalbkreis sind es 30 Minuten – im Kreis Reutlingen sogar 38 Minuten.“ Zudem sei die Region eines von wenigen Oberzentren, die nicht an das Schienenfernverkehrsnetz angeschlossen sei.

Das Verkehrsdefizit habe auch Auswirkungen auf die Vermittlung von Gewerbeflächen. Denn dort, wo noch Ansiedlungen möglich wären, nämlich auf der Alb, würden Unternehmen nur ungern einen Standort aufbauen. „Ausreichende Flächen sind aber die Grundvoraussetzung für wirtschaftliches Wachstum“, sagt Koch. IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Epp hofft dabei auf den in dieser Woche vorgestellten Bundesverkehrswegeplan, der den Albaufstieg und die Dietwegtrasse höher als bisher einstuft (wir berichteten).

Dass die Region im Vergleich zu den IHK-Regionen Stuttgart, Nordschwarzwald und Ulm eine geringere Gründerdynamik entwickle, sei nur bedingt als schlecht zu bewerten, sagt Erbe. „Weil wir hier eine gute Konjunktur haben, sehen die Menschen keinen Grund, sich selbstständig zu machen.“ Denn zu den Stärken der drei Landkreise zähle laut Prognos-Analyse eine hohe Lebensqualität – allerdings sei der Arbeitsmarkt in der Region weitestgehend erschöpft und die Beschäftigten in einem hohen Alter. Neue Firmenansiedlungen könnten hier Abhilfe schaffen.

Immerhin habe der Zuzug in der Bevölkerung in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt, weiß Koch: In den Jahren 2012 und 2013 sind jeweils 3100 Frauen und Männer in die Region gezogen. „Diese Wanderungsgewinne sind eine sehr positive Entwicklung, weil sie die rückläufige natürliche Entwicklung der Bevölkerung auffangen“, sagt Koch. Außerdem sei die Anzahl der Beschäftigten seit 2008 durchgängig gestiegen – die hiesige Industrie zeige eine hohe Investitionsdynamik.

Das Besondere: In der Region Neckar-Alb gebe es laut Stärken-Schwäche-Analyse nicht eine oder zwei wichtige Branchen, sondern eine sehr diversifizierte Struktur mit prägenden Leitbranchen wie dem Maschinenbau, der Medizintechnik und der Textilindustrie. „Die Region hängt nicht wie viele andere von nur einem Bereich ab.“

Ein weiteres „Pfund“ hätte die Region mit der hohen Studierendendichte zu bieten. Die Exzellenz-Universität Tübingens sei ein Magnet für junge Menschen und ergänze sich sehr gut mit den angewandten Hochschulen der Nachbarstädte, sagt Koch. „In Relation zur Größe kann da auch Stuttgart nicht mithalten.“ Unternehmen, die bisher wenig in der Forschung tätig waren, könnten hier Ansatzpunkte finden.

Die IHK möchte die gewonnen Eindrücke durch die Studie nutzen, um nun noch engere Netzwerke mit den jeweiligen Partnern aufzubauen. An den Hochschulen sollen beispielsweise eigene Gründerzentren eingerichtet werden – Studierende könnten somit parallel zum Studium an ihren eigenen Unternehmen arbeiten. Um weiterhin Fachkräfte an die Region zu binden, soll ein eigenes Prüfungszentrum die Qualität der Ausbildung kontrollieren und steigern. Bei der Infrastruktur von Verkehr und IT möchte sich die IHK weiterhin für die regionalen Interessen bei Land und Bund stark machen.

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Erstellt:
18.03.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 56sec
zuletzt aktualisiert: 18.03.2016, 01:00 Uhr

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