Kommentar zu neuen Gewerbe- und Erholungsflächen

Die Grenzen des Wachstums in der Schwarmstadt Tübingen

Die Schwarmstadt Tübingen wächst stürmisch. Die Zahl der Einwohner stieg im vergangenen Jahrzehnt um 10 Prozent, die der Arbeitsplätze um 20 Prozent, tat Oberbürgermeister Boris Palmer kund.

21.02.2017

Von Volker Rekittke

Die Arbeitgeber sind voll des Lobes für den OB und die Verwaltung. Bei der Stadtspitze fänden Unternehmer stets offene Türen, frohlockte kürzlich Hans-Ernst Maute, IHK-Vorsitzender im Kreis Tübingen.

Bei aller Freude über Bevölkerungswachstum, neue Jobs und sprudelnde Gewerbesteuern:
Wo sind die Grenzen des Wachstums? Verträgt Tübingen im kommenden Jahrzehnt noch einmal
10 Prozent mehr Einwohner und 20 Prozent mehr Arbeitsplätze? Letztere bedeuten viele zusätzliche Einpendler – die vor allem mit dem Auto kommen. Denn ob die Regionalstadtbahn bis 2027 fertig ist, ob sie überhaupt je so kommt, wie gewünscht und notwendig, das steht in den Sternen.

Hinzu kommt im hügeligen Tübingen das Problem der knappen Flächen. Das gilt fürs Wohnen, aber auch für das hiesige Gewerbe, dem der Platz ausgeht. Jetzt melden sich Südstadtbewohner zu Wort und fordern mehr Grünflächen für Erholung, Sport und Spiel. Dabei bringen sie auch einen Teil der Fläche beim Au-Brunnen ins Gespräch, die Palmer gern als Gewerbegebiet hätte. Die sehr nachvollziehbare Position der „AG Freiflächen“: Wenn am Güterbahnhof, im Wennfelder Garten und bald auch am Hechinger Eck neue Wohnungen und teils auch Gewerbeeinheiten entstehen, die Bevölkerung der Südstadt also stark wächst, dann braucht es nicht nur Parkplätze und Straßen, sondern auch Grünflächen. Wie wahr! Der Mensch braucht mehr als Asphalt und Beton. Im grünen Tübingen sollte das eine Selbstverständlichkeit sein.

„Mehrere ökologische Fragestellungen gilt es vorher zu prüfen:
Einmal die Auswirkungen auf die Frischluftzufuhr durch die geplante Erweiterung, ebenso wie sich die zusätzliche Flächenversiegelung gerade im Hinblick auf den Hochwasserschutz auswirkt und wie sich der Wegfall der Lebensgrundlage für die Wildtiere am Bach im Planungsgebiet auswirkt. Für die ansässigen landwirtschaftlichen Betriebe hätte eine weitere Ansiedlung ebenfalls gravierende Auswirkungen, deshalb muss vorher erläutert werden, wie die Frage von landwirtschaftlichen Ausgleichsflächen und Wegfall von Streuobstwiesen gelöst werden kann und wie sich Lärm- und Geruchsemissionen auf angrenzende Betriebe und Wohngebiete auswirken.“

Dieser Prüfauftrag an die Stadtverwaltung stammt nicht von den Tübinger Grün-Alternativen.
Es geht auch nicht um die geplante Bebauung beim Tübinger
Au-Brunnen oder im Saiben.
Den Antrag verfasste vergangenen Oktober die Reutlinger CDU, die ökologische Bedenken wegen neuer Gewerbeflächen im Norden der Stadt äußerte. In Tübingen überlegt derweil der grüne OB, ob ein Wasserschutz- in ein Gewerbegebiet umgewandelt werden kann.