Lorenzo Zimmer über technologischen Fortschritt

Die Gedanken sind frei – und lassen sich bald anzapfen

Als Allan Maxam und Walter Gilbert im Jahr 1977 mit der DNA-Sequenzierung der Welt eine Methode vorstellten, mit der sich die Abfolge einzelner Bausteine des Erbguts exakt bestimmen ließ, ahnten sie vielleicht, welche Tragweite ihre Erkenntnisse haben würden. Sie ahnten aber eher nicht, wie schnell ihre Entdeckung zur Anwendung kommen würde.

07.07.2017

Von Lorenzo Zimmer

1996 erblickte – auch als Folge der Ergebnisse von Maxam und Gilbert 19 Jahre zuvor– ein walisisches Bergschaf das Licht der Welt: Dolly. Es war das erste Tier, das durch ein Klonierungsverfahren gezeugt wurde. Heute ist man sich weltweit einig: Das reproduktive Klonen von Menschen sollte verboten sein. Dagegen herrscht über die Zulässigkeit des therapeutischen Klonens ein erbitterter Streit – um eine Technologie, die vor 40 Jahren absehbar geworden ist.

Mit diesem Beispiel vor Augen kann einem schwindelig werden angesichts der Möglichkeiten, die sich durch Erkenntnisse der Neurowissenschaften sehr bald ergeben könnten, nein, werden. Technologieriesen wie Google kaufen im Halbjahrestakt ganze Firmen auf, die in diesen Bereichen forschen, und legen damit nahe: Das wird ein großer, profitabler Markt sein.

Zu loben ist also der Vorstoß der Tübinger Forscher Surjo Soekadar und Niels Birbaumer (siehe nebenstehender Bericht). Es wird für sie und ihre Fachkollegen eine Herkules-Aufgabe sein, Debatten anzuregen, an deren Ende stehen muss: Welche Technologie wollen wir umsetzen und welche nicht?

Soll die Polizei an das Gehirn eines gefassten Entführers andocken können, um den Aufenthaltsort seines Opfers herauszufinden? Was ist, wenn Gefahr im Verzug ist, ein Leben bedroht? Welche sinnvollen, unbedenklichen Verwendungen gäbe es für eine Schnittschnelle zwischen Computer und Gehirn – und wie könnte sie missbraucht werden?

Die Geschichte zeigt, dass jede noch so zweifelhafte Erfindung irgendwo umgesetzt wird. Etwa von Geheimdiensten, die zum Teil an den Gesetzen ihres Landes vorbei agieren. Die Auswirkungen der Hirnforschung werden früher oder später Einzug in unsere Gesellschaften halten. Um Debatten und daraus folgende gesetzliche Leitplanken kommen wir deshalb nicht herum. Es braucht mehr Wissenschaftler, die dazu anregen, Forschungsziele zu hinterfragen: Wie kann man neueste Ergebnisse in brauchbare Technologie ummünzen – und welche Fortschritte würden moralische Rückschritte bedeuten?

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Erstellt:
07.07.2017, 22:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 56sec
zuletzt aktualisiert: 07.07.2017, 22:00 Uhr

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