„Lieber Herr Heß, kein Grund zum Stress“

Die Achtklässler der Schloss-Schule erklären, was sie an Gomaringen mögen und was sie ändern würden

Ein Hallenbad wäre toll. Mehr Geräte im Funpark. Und warum hält der Zug eigentlich nicht an dem kleinen Bahnhäuschen, das einsam in der Landschaft steht?

30.03.2017

Von Gabi Schweizer

Petra Rupp-Wiese und Dietrich Rebstock (Zweite und Dritter von links) lassen sich von Johannes (links), Markus (im grünen Shirt) und Fabian (rechts daneben) erklären, wie der Funpark sicher vor Randalierern gemacht werden könnte. Schulleiter Joachim Allgaier (rechts) schaut zu.. Bild: Rippmann

Petra Rupp-Wiese und Dietrich Rebstock (Zweite und Dritter von links) lassen sich von Johannes (links), Markus (im grünen Shirt) und Fabian (rechts daneben) erklären, wie der Funpark sicher vor Randalierern gemacht werden könnte. Schulleiter Joachim Allgaier (rechts) schaut zu.. Bild: Rippmann

Jugendbeteiligung ist neuerdings nicht mehr nur eine Kann-, sondern eine Muss-Vorschrift in der Kommunalpolitik, und so sind die Gemeinden auf der Suche nach Wegen, wie diese Beteiligung praktisch gestaltet werden kann. Besonders ausführlich – und vor allem sehr kreativ – haben sich die Achtklässler der Gomaringer Schloss-Schule mit ihrer Gemeinde befasst. Vier Wochen hatten sie Zeit zu überlegen, was gut und was veränderungsbedürftig ist – und was sie tun würden, wären sie selbst Bürgermeister. Lehrer, Schulsozialarbeiter Dirk Steurer und Esther Jaißle vom Jugendbüro leiteten die Aktion gemeinsam.

In sieben Gruppen haben die 27 Jugendlichen ihre Ergebnisse zusammengetragen, die sie am Dienstag vor und teils auch während der Gemeinderatssitzung präsentierten – als Film, Computer-Präsentation, Fotobuch und Rap. Und so hörten die Gemeinderäte, dass den jungen Leuten durchaus nicht nur die eigenen Bedürfnisse am Herzen liegen. Die Wege auf dem Friedhof seien viel zu schmal, ältere Leute kämen mit ihren Rollatoren nicht durch, bemängelten Emmy, Jasmina und Florian in einem selbstgedrehten Handy-Kurzfilm. „In Reli waren wir auf dem Friedhof, da hat uns eine ältere Frau angesprochen“, erzählten sie. Auch eine Hinweistafel, die zu wichtigen Orten wie dem Schloss führt, fehle im Ort. Ganz selbstlos ist die Liste nicht: Auch beim Funpark sehen sie Verbesserungspotenzial – und sind da mit etlichen Klassenkameraden einer Meinung.

Rampen fest einbauen

Der Funpark ist auch Schauplatz im Kurzfilm von fünf Skate- und Bike-begeisterten Jungs. Die Rampen, so erklärten Johannes, Fabian und Markus den Gemeinderäten, sollten am besten im Boden versenkt werden. „Dann kann man die nicht mehr verschieben. Leute randalieren und stellen sie auf den Kopf.“ Wer sowas macht, wissen sie nicht. „Würdet ihr mitschaffen?“, hakte Petra Rupp-Wiese von der Grünen Liste gleich nach. Zustimmendes Nicken. Mehr Geräte wünscht sich wiederum Ben, der ebenfalls öfters im Funpark anzutreffen ist.

Am öffentlichen Nahverkehr haben die Schüler/innen einiges auszusetzen. Jana und Sophie etwa wünschen sich am Wochenende eine bessere Busverbindung sowohl nach Tübingen als auch nach Reutlingen. Für Ramin ist die Linie nach Dußlingen am wichtigsten – er gehört zu den Pendlern, denn die Schloss-Schule hat auch etliche Schüler von außerhalb. Und immer wieder tauchte die Frage auf, weshalb der Zug nicht an dem ohnehin vorhandenen Häuschen halten könne. Am charmantesten formulierte diesen Wunsch das neu gegründete Rapper-Trio Marcel, Mertcan und Kreshnik – das für seine allererste Aufnahme sehr viel Beifall bekam (siehe Kasten).

Ameline, Celina, Saskia und Sine plädierten in ihrem Fotobuch recht bescheiden für mehr Sitzgelegenheiten und einen Pausenraum an der Schloss-Schule. „Wir wissen an drei Tagen nicht, wo wir mittags hingehen sollen“, stellte sich im Gespräch mit Kirsten Gaiser-Dölker (FW) und Esther Jaißle heraus – nach Hause zu gehen, lohne sich trotz mehrstündiger Pause nicht. Ein angeregtes Gespräch, dann die Idee: Warum nicht das Jugendforum über Mittag öffnen? Sie würden das Angebot nutzen, versicherten die Mädchen. Das ist nicht selbstverständlich: „Da gehen eher die Kleinkinder hin“, war von einem 15-jährigen Jungen zu erfahren. Er meinte die Zehn- bis Elfjährigen.

Ein Park im Gewerbegebiet

Als Landschaftsarchitektinnen betätigten sich Maria, Francesca, Leontina und Rrezarte. Aus einer unbebauten Wiese zwischen Grabstein-Händler und ITG würden sie einen Park machen – mit Grillstelle, Bänken, Trinkbrunnen und Trampolins. Kein Spielplatz, ein solcher entstehe ja auf dem Haldenplatz. Eher etwas zum Spazierengehen.

Bei aller Kritik haben die Jugendlichen auch viel Lob für ihre Gemeinde – manches Fotobuch widmet sich ausführlich den schönen Flecken, vorneweg den öffentlichen Plätzen und Einrichtungen. Auch die Schloss-Schule selbst firmiert als Plus-Punkt. Dass mancher Wunsch nur eine sehr kleine Chance hat, Wirklichkeit zu werden, ist den Jugendlichen bewusst: „Ein Freibad, das wäre noch ein Traum“, meinte etwa Kreshnik. „Aber Träume gehen ja manchmal in Erfüllung.“

Für den 12. Mai ist ein Workshop geplant, bei dem Achtklässler aller Schulen im Gemeindeverwaltungsverband jugendrelevante Themen bearbeiten sollen. Auf die jetzigen Vorschläge will Bürgermeister Steffen Heß noch eine Rückmeldung geben: „Vielleicht komme ich zu euch an die Schule.“

„Jugendliche sind the best, wenn man sie lässt“

Kreshnik Gjurai dichtete, Mertcan Cifci sang, Marcel Riekert kümmerte sich um die Technik: So entstand ein im Wortsinne bahnbrechender Song:

Refrain:

Yeah, lieber Herr Heß,

kein Grund zum Stress,

denn Jugendliche sind so fresh, ah.

Wir stellen fest,

Jugendliche sind the best,

wenn man sie lässt.

Wir haben viele Fragen,

die wollen wir Ihnen sagen.

Strophe 1

Was wir in Gomaringen gut finden:

auf dem Sportplatz Grenzen überwinden.

Der Schlossplatz ist so cool,

aber wie wär’s mit einem Pool?

Essen bei Asia King und Real

finden wir voll ideal.

Strophe 2

Doch was uns noch fehlt,

das ist das, was zählt.

Ein Zug-Bahnhof wär‘ optimal,

dann fahren wir Zug, am Tag dreimal.

Herr Heß, überlegen Sie doch mal,

ein Freibad wär‘ doch ideal.

Strophe 3

Ein Freibad wär‘ doch ideal.

Wenn ich Bürgermeister wär‘,

Dann käm gleich ‚n McDonald’s her.

Jetzt wissen Sie, was uns interessiert.

Wir hoffen, Sie haben’s sich notiert.

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Erstellt:
30.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 31sec
zuletzt aktualisiert: 30.03.2017, 01:00 Uhr

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