Wissenschaft

Der Mensch, ein alter Knochen

Neue Fossilienfunde in Marokko belegen: Den Homo sapiens gab es schon 100?000 Jahre früher als bisher gedacht. Forscher sprechen von einer Sensation.

08.06.2017

Von DPA

Aus den Funden rekonstruiert: Schädel und Oberkiefer. Foto: dpa

Aus den Funden rekonstruiert: Schädel und Oberkiefer. Foto: dpa

London. Der Anfang der Menschheit reicht viel weiter zurück als bislang angenommen. Die frühesten Funde von modernen Menschen waren bislang 200 000 Jahre alt, jetzt beschreibt ein internationales Forscherteam unter deutscher Leitung Fossilien aus Marokko, die 300.000 Jahre alt sind.

Die Knochenfragmente geben Einblick in die Entstehung und Entwicklung des Homo sapiens, berichten die Wissenschaftler um Jean-Jacques Hublin vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie im Fachblatt „Nature“. Experten, die an der Studie nicht beteiligt waren, sprechen von einer Sensation.

Als bislang ältester Beleg für den Homo sapiens galten Funde aus Omo Kibish in Äthiopien, die 195.000 Jahre alt sind. Die neuen Funde lassen auch umstrittene frühere Fossilien in neuem Licht erscheinen: So rechnen die Forscher ein etwa 260.000 Jahre altes Schädelfragment aus Florisbad in Südafrika nun ebenfalls dem Homo sapiens zu.

„Wir dachten lange Zeit, dass die Wiege der Menschheit vor etwa 200.000 Jahren irgendwo in Ostafrika lag“, sagt Hublin. „Unsere Daten zeigen aber, dass sich Homo sapiens bereits vor etwa 300.000 Jahren über den gesamten Kontinent ausgebreitet hat.“ Also lange bevor der moderne Mensch Afrika vor etwa 100.000 Jahren verließ.

In Jebel Irhoud, 100 Kilometer nordwestlich von Marrakesch, haben die Forscher 22 versteinerte Überreste von Knochen, Schädeln, Kiefern und Zähnen gefunden. Sie stammen von mindestens fünf Menschen.

Die Knochen wurden mit Computertomografie (micro-CT) und statistischen Analysen untersucht. Zu den Erkenntnissen gehört: Das Gesicht des frühen Homo sapiens war demnach damals schon voll ausgeprägt. Dagegen ist der Hinterkopf deutlich länger und ähnelt eher älteren Vertretern der Gattung Homo. Ko-Autor Philipp Gunz: „Das bedeutet, dass sich die Form der Gesichtsknochen bereits zu Beginn der Evolution unserer Art entwickelt hat.“ Dagegen hätten sich die Form des Gehirns und womöglich auch seine Funktion erst innerhalb der späteren Entwicklung verändert.

Die Forscher haben bei den Knochen auch reichlich Tierknochen gefunden, etwa von Gazellen, und Werkzeuge, die bei der Datierung der Funde halfen. Daniel Richter, der Erstautor einer Datierungsstudie in „Nature“: „In Jebel Irhoud hatten wir Glück, dass so viele Steinwerkzeuge erhitzt worden waren. Deshalb konnten wir die Thermolumineszenzmethode anwenden, um die Fundschichten genau zu datieren.“ Dieses Verfahren bestimmt über den Zerfall natürlicher radioaktiver Elemente den Zeitraum seit dem Erhitzen.

In einem „Nature“-Kommentar schreiben Chris Stringer und Julia Galway-Witham vom Natural History Museum in London: „Wir stimmen mit Hublin und Kollegen überein, dass die Jebel-Irhoud-Fossilien nun die am besten datierten Beweise für eine frühe ,vormoderne' Phase in der Evolution des Homo sapiens darstellen.“ Allerdings gebe es zu wenige Fossilien, um nachzuweisen, dass sich der moderne Mensch tatsächlich vor mehr als 250.000 Jahren in ganz Afrika verbreitet habe. Stefan Parsch, dpa

Die Verwandten

Der Homo sapiens hat seinen Lebensraum bis vor 40.000 Jahren mit anderen Menschenarten geteilt. Darunter waren unter anderem:

Der Neandertaler ist vor etwa 40.000 Jahren in Europa ausgestorben. Er hatte sich mit dem Homo sapiens vermischen können.

Der Denisova-Mensch war mit dem Neanderthaler genetisch eng verwandt. Funde von ihm gibt es aus der Zeit vor 40.000 Jahren in Südsibirien.

Der Homo heidelbergensis hat von etwa 700.000 bis 200.000 Jahren gelebt.

Der Homo naledi, gefunden in Südafrika, ist noch nicht sicher eingeordnet. Eine neuere Datierung ergab, dass er vor 335.000 bis 235.000 Jahren lebte. ?dpa

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Erstellt:
08.06.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 08.06.2017, 06:00 Uhr

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