Schulpolitik vor der Wahl

Der Gesamtelternbeirat lud fünf Landtagskandidaten zur Podiumsdiskussion in der Festhalle

Die Gesamtelternbeiräte von Rottenburg und Tübingen luden am Donnerstag in der Festhalle zur schulpolitischen Podiumsdiskussion mit den Landtagskandidaten Dorothea Kliche-Behnke (SPD), Daniel Lede-Abal (Grüne), Klaus Tappeser (CDU), Dietmar Schöning (FDP) und Bernhard Strasdeit (Linke). Etwa 100 Besucher interessierten sich für deren Meinung zu Themen wie Schülerbeförderung und Elternbeteiligung.

27.02.2016

Von Hete Henning

Nur 100 Besucher lockte die schulpolitische Diskussion der Gesamtelternbeiräte von Rottenburg und Tübingen in die Festhalle. Auf der Bühne von links nach rechts der Tübinger GEB-Vorsitzende Martin Lindeboom, sein Rottenburger Pendant Theo Keck, Klaus Tappeser (CDU), Daniel Lede-Abal (Grüne), Dorothea Kliche-Behnke (SPD), Dietmar Schöning (FDP), Bernhard Strasdeit (Linke), Jasson Schuler und Dennis Klein. Bild: Sommer

Nur 100 Besucher lockte die schulpolitische Diskussion der Gesamtelternbeiräte von Rottenburg und Tübingen in die Festhalle. Auf der Bühne von links nach rechts der Tübinger GEB-Vorsitzende Martin Lindeboom, sein Rottenburger Pendant Theo Keck, Klaus Tappeser (CDU), Daniel Lede-Abal (Grüne), Dorothea Kliche-Behnke (SPD), Dietmar Schöning (FDP), Bernhard Strasdeit (Linke), Jasson Schuler und Dennis Klein. Bild: Sommer

Rottenburg. Es mag an der Aussicht auf drei Stunden trockenen Schulstoff gelegen haben, dass am Donnerstagabend nur halb so viele Besucher zum Landtagswahl-Podium des Gesamtelternbeirats (GEB) kamen wie 2011. Ein Großteil der Gäste bestand aus Schulleitern und Schulleiterinnen, Lehrerinnen und Lehrern und Elternbeiräten.

Dabei betrifft eins der aktuellen schulpolitischen Themen die Eltern ganz direkt: im Geldbeutel. Jährlich bis zu 2000 Euro, hat der Rottenburger GEB-Vorsitzende Theo Keck ausgerechnet, zahlen Eltern in Baden-Württemberg für die Bus- und/oder Bahnfahrten ihrer Kinder zu einer weiterbildenden Schule. In Bayern und Rheinland-Pfalz übernimmt diese Kosten der Staat. Keck hatte kurz vor Weihnachten eine von zwei Musterklagen beim Verwaltungsgericht Sigmaringen für Kostenfreiheit eingereicht, nachdem in Stuttgart „keine Partei den Mumm hatte“, das Problem anzugehen.

Der grüne Landtagsabgeordnete Daniel Lede-Abal prognostizierte am Donnerstag, „dass das politisch niemand anfassen wird, bevor die Klage entschieden ist.“ Die Beförderungskosten, stimmte er Keck zu, seien „ein verkapptes Schulgeld“ und müssten „auf Dauer“ abgesenkt werden. Ihre komplette Übernahme durch das Land mochte Lede-Abal aber nicht zusagen.

Schülerbeförderung

ist ein heißes Eisen

Dorothea Kliche-Behnke erinnerte daran, dass die grün-rote Landesregierung die Zuweisungen an die Stadt- und Landkreise um rund 20 Millionen Euro aufgestockt habe. Nach Auffassung der SPD sei die Schülerbeförderung Sache der Eltern, der Kreise und der Kommunen. Die SPD-Kreistagsfraktionen seien dafür, dass die Landkreise die Kosten für finanzschwache Familien übernehmen. „Die CDU will das nicht.“

Er sehe die derzeitige Praxis „kritisch“, sagte Klaus Tappeser, Kreistagsmitglied und CDU-Landtagskandidat: „Wir müssen das neu überdenken.“ Dietmar Schöning (FDP) forderte eine Belastungsobergrenze. Die Regel, dass die Zuschüsse nur fließen, wenn der Schulweg länger als drei Kilometer ist, sei überholungsbedürftig. Bernhard Strasdeit (Linke) nannte das „Pingpong-Spiel zwischen Stadt und Land“ ein Armutszeugnis. Schülerfahrten fielen unter die gesetzlich verankerte Lernmittelfreiheit. Dass ein Schüler im Naldo-Verband mehr zahlen müsse als „ein Chefarzt mit Jobticket“, sei „eine schreiende Ungerechtigkeit“, so Strasdeit. Der Preis für Schülertickets müsse auf Semesterticket-Niveau gesenkt werden.

Weitgehende Einigkeit bewiesen die fünf Kandidaten beim Thema der Inklusion behinderter Kinder an Regelschulen. Es sei gut, dass es wegen der Wahlfreiheit der Eltern neben den Regelschulen weiterhin sonderpädagogische Einrichtungen gibt, hieß es allenthalben. Schöning sagte, dass die Beschulung etwa von Kindern mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) auf Realschule oder Gymnasium „nicht mehr so einfach“ sei, räumte auf Nachfrage von Co-Moderator Dennis Klein (Lehrer an der Kreuzerfeld-Realschule) aber ein, dass ein mehrfach behindertes Kind zumindest am Unterricht teilnehmen könne. Dafür, so Schöning, dürfe man „aber nicht die tragenden Grundsätze des Gymnasiums aufgeben“.

Tappeser sagte, dass die frühere CDU-Landesregierung schon früh und mit Erfolg über das Außenklassen-Modell Inklusion hergestellt habe. Kliche-Behnke erwiderte, das habe mit der Inklusion im heutigen Sinne wenig zu tun gehabt. Die Sonderschul-Außenklassen seien nicht immer und nicht in allen Fächern gemeinsam mit nicht behinderten Kindern unterrichtet worden.

Scharfe Kritik übte der Tübinger GEB-Vorsitzende Martin Lindeboom am Zustandekommen der Bildungsplanreform, die im September in Kraft treten soll. Der Landeselternbeirat sei zwar formal eingebunden worden, die wesentlichen Entscheidungen seien aber „hinter verschlossenen Türen“ getroffen worden. Der Beirat zur Bildungsplanreform bestehe aus 46 Personen, deren Namen großteils offiziell nicht bekannt seien.

Bernhard Strasdeit stimmte zu, dass die Elternverbände rechtzeitig vor September Gelegenheit bekommen sollten, öffentlich zum Bildungsplan Stellung zu nehmen. Laut Kliche-Behnke ist der Bildungsplan „nicht in Stein gemeißelt“. Sie sei aber „nicht genug drin im Thema“, um sich detailliert zu äußern. Das tat dafür Daniel Lede-Abal: In manchen Arbeitsgruppen seien die elterlichen Wünsche und Einwendungen besser, in anderen schlechter berücksichtigt worden. Er werde sich für eine weitere Anhörung einsetzen, versprach der Landtagsabgeordnete.

Tappeser nannte die mangelhafte Elternbeteiligung „schlicht und ergreifend eine Sauerei“. Dass die Mitglieder des Beirats nicht bekannt seien, gehe nicht an. Und: „Ein Hearing muss natürlich öffentlich sein, wir leben doch nicht in einer Diktatur.“ Das Publikum quittierte dies mit deutlichem Applaus.

Gleich zu Anfang der Diskussion hatte Tappeser betont, dass er nicht generell gegen Gemeinschaftsschulen sei; speziell an der in Ergenzingen gebe es ein ausgesprochen engagiertes Lehrerteam. Die neue Schulform sei handwerklich aber nicht ausgereift und benötige mehr Lehrer und mehr Ressourcen.

Nach seinem Rezept gegen die Unzufriedenheit der Lehrer gefragt, sagte FDP-Mann Schöning, er würde als erstes die Absenkung der Eingangsbesoldung rückgängig machen. Das, sagte Dorothea Kliche-Behnke, würde auch sie tun, wenn sie gewählt würde. Wichtig sei, nach den Jahren der starken strukturellen Veränderungen wieder Ruhe in die Schulen zu bringen. Lede-Abal gab zu, dass die Regierung den Lehrern einiges zugemutet habe. Nun gehe es darum, über zusätzliche Deputate wieder Entlastung zu bringen. Strasdeit warnte davor, die Gemeinschaftsschule auf halbem Weg stehen zu lassen. Sorge mache ihm die Zunahme befristeter Lehraufträge.

Tappeser würde für den Fall seiner Wahl die Lehrkräfte „durch vorherige gute Planung“ entlasten. „Die Kolleginnen und Kollegen“, sagte der studierte Sozialpädagoge, „müssen bis zum neuen Bildungsplan alles selber machen, und das ist Scheiße.“ Auch für diesen Satz erntete der CDU-Kandidat einigen Beifall. Keine spürbaren Sympathien trug ihm dagegen eine Bemerkung ein, in der er seine SPD-Konkurrentin in Anspielung auf deren Rottenburger Fasnets-Tracht als „Rotkäppchen“ bezeichnete.

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Erstellt:
27.02.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 39sec
zuletzt aktualisiert: 27.02.2016, 01:00 Uhr

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