Englisches Bier aus Italien

Debütanten auf dem umbrisch-provenzalischen Markt haben neue Geschäftsideen

Nach dem Markt ist vor dem Markt. Wenn Antonio Trampolini und seine italienischen Händlerkollegen wieder vom umbrisch-provenzalischen Markt zurückgereist sind, überlegen sie gleich, was man das nächste Mal noch anders machen könnte. Herausgekommen für diesmal ist zum Beispiel: englisches Bier und Lakritze.

15.09.2016

Von WOLFGANG ALBERS

15.09.2016 Der Umbrisch-Provenzalische Markt in Tübingen
© Wilke 02:24 min
Die Tübinger Altstadt ist wieder ein Magnet für Feinschmecker: Am Mittwoch eröffnete der Umbrisch-Provenzalische Markt.

Tübingen. Man hat das Gefühl, Antonio Trampolini wähnt sich gar nicht weg. So heimisch fühlt er sich im September inzwischen in Tübingen. Der Olivenölhändler ist im 21. Jahr auf dem umbrisch-provenzalischen Markt dabei und hat auf die Frage, was ihm so an den Tagen hier gefällt, ein „Tutto“ bereit. Alles sei bestens: „Alles ist perfekt organisiert, perfekt sind auch die Beziehungen zur Stadt und zur Bevölkerung. Die Kunden sind Freunde geworden.“

Einen Treck von 26 Händlern aus Perugia und Umgebung organisiert Antonio Trampolini inzwischen, und er muss keine Überredungskünste aufbieten, um Kollegen für den größten Auslandseinsatz im Jahr zu gewinnen. Diesmal hat er sogar Zuwachs aus der eigenen Familie: Sein Schwiegersohn Sergio Castellani ist erstmals in Tübingen dabei.

Sergio Castellani produziert auch in der Trampolini-Ölmühle - aber ein ganz anderes, auf den ersten Blick gar nicht so typisch italienisches Produkt: Er braut Bier.

Aber das sei in Italien im Kommen, sagt er – immer mehr Brauereien entstehen. Kleinbetriebe wie seiner, der sich bewusst als Gegenbewegung zum Bier-Mainstream, der natürlich auch in Italien die Regale der Läden füllt, versteht. Im Italienischen gibt es den umgangssprachlichen Ausdruck „Bastian contrario“ – das sagt man, wenn man sich gegen eine Mehrheitsmeinung abgrenzen will. Deshalb nennt Sergio Castellani sein Bier „Bastian Birraio“. Oder besser gesagt seine Biere. Drei Sorten im englischen Stil, dazu ein Hefeweizen.

Echtes Süßholz

aus Umbrien

Das Unternehmen ist jung, so richtig intensiv im Geschäft erst seit einem halben Jahr. Auch wenn die Brauer aus Perugia bisher auf einen Fremdvertrieb verzichten, haben sie sich schon Restaurant-und-Bar-Kundschaft bis nach Holland aufgebaut.

Wein aus Italien kennt jeder. Doch dieses Jahr gibt es auf dem Umbrisch-provenzalischen Markt eine echte Rarität: selbst gebrautes Bier aus dem Hause Castellani. Bild: Metz

Wein aus Italien kennt jeder. Doch dieses Jahr gibt es auf dem Umbrisch-provenzalischen Markt eine echte Rarität: selbst gebrautes Bier aus dem Hause Castellani. Bild: Metz

Das Bier läuft unter Craft Bier (könnte also sämtliche Zutaten haben), gehorcht aber dem Reinheitsgebot. Allein über die verschiedenen Hopfenarten variiere er den Geschmack, sagt Sergio Castellani. Nach Tübingen hat er nur die englischen Sorten mitgebracht, insgesamt 1100 Liter. Ob das nicht zu pessimistisch geschätzt ist? Macht nichts, lacht Sergio Castellani – wenn das Bier weg ist, vergnüge er sich eben als Tourist auf dem Markt.

Und könnte bei Stefano Brilli einkaufen. Auch ein Tübingen-Debütant, und mit einem Produkt, das eher selten angeboten wird: Lakritze. Ein ganzer Stand unterschiedlichster Lakritze-Produkte, hergestellt aus dem Wurzelextrakt von biologisch angebautem Echtem Süßholz. Eigentlich gedeiht die Pflanze erst in Süditalien so richtig, aber Stefano Brilli hat es auch in Perugia geschafft, sie zum Wachsen zu bringen. Lakritze ist längst über den Süßigkeiten-Status hinausgekommen, sagt Stefano Brilli: Gerade in der Küche findet sie immer mehr Verwendung.

Neu in Tübingen ist auch Marco Minchiatti. Er hat Keramik aus Deruta mitgebracht, einem Ort bei Perugia. Bunt-verspielt ist das Dekor, und neben allen möglichen Figürchen zeigt er vor allem Schneideplatten, die auch auf dem Grill oder einer anderen Kochstelle benutzt werden können, weil ihre Unterschicht aus Lavagestein vom Ätna besteht. Weil sie auf der keramischen Oberfläche dicht glasiert sind, haftet nichts an der Platte an, sagt Marco Minchiatti. Und verspricht so eine Art Öko-Garen: „Die Platten geben keine schädlichen Stoffe ab, und die Fette können nicht in schädliches Benzopyren umgewandelt werden.“

Die Chancen, dass die Debütanten in Tübingen öfters zu sehen sein werden, stehen nicht schlecht, folgt man Nicolas Appel. Der Korbflechter aus der Provence ist seit 20 Jahren auf dem Markt und ganz angetan von den Tübingern: „Die Leute mögen das Natürliche.“ 90 Körbe hat er diesmal mitgebracht, alle aus den unterschiedlichsten Weidenarten geflochten, vom kleinen Erdbeersammel-Korb bis zur großen Picknick-Kiste. Das klassische Design ist manchmal aufgepeppt, etwa im japanischen Stil - man merkt da den Einfluss seines Sohnes Loiz. Wenn es gut läuft, ist so ein Korb in vier Stunden geflochten, und zugucken dabei kann man auch: Die beiden werden auch vor Publikum produzieren.

Verbotenes Spiel

aus der Provence

Vater Nicolas kann man aber nur noch am heutigen Freitag treffen, dann reist er vorzeitig zurück. Einer muss ja gießen. Kein Witz: Die Weiden haben in der Provence eh schon unter Wassermangel zu leiden, und dieses Jahr war es besonders heftig. Ohne künstliche Bewässerung wäre das nichts geworden.

Gerne und auch schon lange dabei ist Wiliam Forte von einer Gewürzhandlung aus Nizza. Sein Stand ist ein Dufterlebnis und eine Augenweide. Rund 100 Gewürze hat er mitgebracht, und so liegt roter Cayenne-Pfeffer neben pechschwarzem Salz aus Hawaii, ockerfarbener Curcuma neben Gewürzen aus Indien oder China.

Fortes Spezialität sind die verschiedenen Gewürzmischungen. Er hat sie für eigentlich alles komponiert – vom Fisch bis zum Dessert. Nette Namen haben sie auch. Eine heißt „Verbotenes Spiel“, Birne, Zimt und ein Hauch von Lakritze ist dabei. Na also – seinen Grundstoff-Nachschub kann Wiliam Forte dann gleich auf dem Markt ordern.

Zum Artikel

Erstellt:
15.09.2016, 20:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 26sec
zuletzt aktualisiert: 15.09.2016, 20:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!