Eninger Brandstiftung: Womöglich ein versuchter Mord

Das Tübinger Schwurgericht rollt das Verfahren gegen den mutmaßlichen Eninger Brandstifter neu auf

Großbrand in Eningen: Am 4. November 2014 gegen 1.15 Uhr in der Frühe stand ein Wohnhaus am Rathausplatz im Flammen. Ein Bewohner des in Appartements aufgeteilten ehemaligen Hotels erlitt Brandverletzungen an den Unterschenkeln, weitere Hausgenossen konnten ins Freie flüchten. Flur und Dachgeschoss brannten völlig aus. Der Sachschaden belief sich auf mindestens 100 000 Euro.

11.01.2017

Von Matthias Reichert

Symbolbild: Sommer

Symbolbild: Sommer

Es war Brandstiftung. Ein heute 45-jähriger Dachgeschoss-Bewohner wurde Anfang 2016 vom Reutlinger Schöffengericht zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Laut Urteil hat er am Treppenaufgang Benzin verschüttet und angezündet. Er hat sich bei dem Feuer selbst schwer verletzt, nach eigenen Angaben wäre er fast gestorben.

Nun begann eine juristische Odyssee. „Das Verfahren ist durch die Justiz mäandert“, formulierte es gestern der Vorsitzende Richter am Tübinger Landgericht Ulrich Polachowski. Der Angeklagte ging in Berufung. Zunächst entschied das Landgericht als nächsthöhere Instanz, dass der Vorwurf so schwerwiegend sei, dass das Verfahren nicht vor das Amtsgericht gehört hätte. Das darf Freiheitsstrafen nur bis zu vier Jahren verhängen.

Die Berufungskammer hob das Urteil des Amtsgerichts auf und verwies das Verfahren ans Landgericht. Dort übernahm zunächst die Zweite Große Strafkammer. Diese befand, dass der Brandstifter womöglich den Tod der Hausbewohner billigend in Kauf genommen habe. Deshalb könne es sich auch um ein versuchtes Tötungsdelikt handeln. Wenn sich dann noch herausstellen würde, dass der Täter gemeingefährlich sei, wäre es sogar versuchter Mord gewesen. Deshalb sei das Schwurgericht zuständig.

Dessen fünfte Kammer hat nun gestern das Verfahren gegen den 45-Jährigen neu eröffnet. Es gab bisher keine Verständigungsgespräche, um den Prozess abzukürzen. Der Angeklagte machte keine Angaben zum Tatvorwurf. Er äußerte sich nur zu seiner Person.

Er stammt aus Bulgarien, wo seine Frau, seine 21-jährige Tochter und sein 13-jähriger Sohn heute noch leben. Er habe zunächst eine landwirtschaftliche Ausbildung gemacht, sich anschließend für technische Berufe weiterqualifiziert und auf dem Bau sowie als Monteur gearbeitet. 2011 kam er erstmals nach Deutschland, fand aber keine dauerhafte Arbeit. Unter anderem war er für eine Gartenbaufirma im Einsatz. Immer wieder habe er über Angehörige einer Moschee Beschäftigungen gefunden.

Bis 2014 pendelte der Angeklagte zwischen Deutschland und seiner Heimat. Zuletzt habe er in Reutlingen seine erheblichen Ausgaben beim Finanzamt geltend machen wollen – deshalb sei er ein weiteres Mal zurückgekehrt und wieder in Eningen eingezogen, sagte er vor dem Landgericht.

Am ersten Verhandlungstag ging es darum, ob der Mann durch seine diversen Tätigkeiten mit Benzin in Berührung gekommen war. Denn ein wesentliches Indiz beim Prozess vor dem Schöffengericht war gewesen, dass die Polizei am Tatort ein T-Shirt mit winzigen Benzinspuren fand. Mit DNA-Analyse konnte das Kleidungsstück dem Angeklagten zugeordnet werden.

Nun beteuerte dieser, er sei mit Kollegen der Gartenbaufirma morgens tanken gewesen. Außerdem habe er bei einem späteren Job, bei dem er Silikon verfugte, seine Hände mit einer Flüssigkeit gereinigt, die möglicherweise Benzin gewesen sei. Sein Anwalt nannte als mögliches Motiv für die Brandstiftung durch einen Anderen rassistische Hetze eines weiteren Hausbewohners im Internet. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.