Neckargasse: Tübinger tanzten à la mode

Das Haus des Tanzmeisters zeugt von einer Verbindung zu Paris

Von 1654 bis zu seinem Tode 1688 wohnte in der Neckargasse 2 der französische Tanzmeister Charles Dumanoir aus Paris.

07.07.2016

Von Udo Rauch

Tübingen. Jahrzehntelang hat er in Tübingen am Collegium Illustre (der Ritterakademie im heutigen Wilhelmsstift) den jungen Adligen das Tanzen beigebracht – selbstverständlich nach der damals angesagten französischen Art. Als Dumanoir 1647 in Württemberg eintraf, war er mit 18 Jahren kaum älter als seine adligen Zöglinge.

Charles Dumanoir war nicht irgendein Kleinmeister aus der französischen Provinz, sondern der Bruder von Guillaume Dumanoir, Leiter der berühmten Vingt-quatre Violons du Roy, dem Hoforchester Ludwigs XIV. Der ältere Bruder in Paris war nicht nur Tanzmeister, Komponist und Chef des bedeutenden französischen Orchesters, sondern auch ein wichtiger Gegenspieler des noch bekannteren Jean-Baptiste Lully.

Mit anderen Worten: Tübingen verfügte über einen direkten Draht zum Hof Ludwigs XIV., dessen barocke Tanzmode sich in ganz Europa zu verbreiten begann. Was von der feinen französischen Tanzkunst in den Tübinger Wohnstuben ankam, ist nicht überliefert. Vielleicht war es mehr, als man denkt. Denn der junge französische Tanzmeister hat sich in Tübingen akklimatisiert und 1652 die Bürgermeisterstochter Ursula Springer geheiratet. Außerdem dürfte er in seiner freien Zeit privaten Unterricht erteilt haben, zum Beispiel auf dem Tanzboden im Kornhaus. Nach seinem Tod übernahm 1689 sein Neffe Guillaume Michel Dumanoir (1629-1714) das Amt des Tanzmeisters am Collegium.

Bei dem auffälligen Erkertürmchen handelt es sich übrigens um eine Zutat des späten 19. Jahrhunderts, die nichts mit den Tanzmeistern aus Paris zu tun hat. Die pittoresken Malereien stammen vom württembergischen Hofdekorationsmaler Carl Robert Haag. Er war der Schwiegersohn des damaligen Eigentümers, des Zigarrenhändlers Heinrich Rupff.

Der Beitrag ist Teil einer Reihe von Beiträgen zur Geschichte der Neckargasse. Anlass ist deren Sanierung. Autor ist Stadtarchivar Udo Rauch.