Churchill

Churchill

Das Historiendrama zeigt den britischen Premierminister, wie er kurz vor der alliierten Invasion in der Normandie mit seinen Zweifeln ringt.

10.04.2017

Von Klaus-Peter Eichele

Churchill

Winston Churchills Rede am D-Day, als im zweiten Weltkrieg die alliierten Truppen verlust- aber erfolgreich die normannische Küste stürmten, gilt als Glanzstück politischer Rhetorik. Glaubt man dem Film von Jonathan Teplitzky („Broadchurch“), hing es allerdings am seidenen Faden, dass der britische Premierminister seinen Landsleuten übers Radio Zuversicht und Heldenmut einflößte – und nicht stattdessen betrunken im Bett lag.

Denn an den Tagen davor hatte sich der von Brian Cox gespielte Politiker mit all seiner (offenbar nicht besonders großen) Macht gegen den von den eigenen und amerikanischen Militärs längst beschlossenen Invasions-Plan gestemmt. Aufgrund seiner Erfahrungen im ersten Weltkrieg, speziell der Schlacht bei Gallipoli, glaubte er, dass die Landung in der Normandie zum Scheitern verurteilt sei, Zehntausende Soldaten sinnlos verheizt würden und Großbritannien danach schutzlos einem Gegenangriff der Nazi-Wehrmacht ausgeliefert sei.

Der erste große Spielfilm über Churchill seit mehr als 40 Jahren liefert keine umfassende Biografie, sondern umspannt nur wenige Tage seines ereignisreichen Lebens. Seine Persönlichkeit anhand dieser kurzen, aber zentralen Episode auszuloten, erscheint auf den ersten Blick als ein vernünftiges Konzept, an dessen Umsetzung es freilich gewaltig hapert. Spannung ergibt sich weder aus dem eindimensional bleibenden Charakter noch aus der in die Länge gezogenen Handlung. Auch die politisch interessante Frage, wie im Krieg die Politik ihr Primat ans Militär verliert, kommt kaum zur Entfaltung.

Zwei Drittel des Films passiert nicht viel mehr, als dass der Staatsmann grübelt, zaudert, hadert und die immer gleichen Argumente gegen die „Operation Overloard“ hin- und herwälzt. Dazu wird viel Brandy getrunken und Zigarre geraucht. Irgendwann sind nicht nur die Armee-Befehlshaber Eisenhower und Montgomery, die ihn für ein Relikt aus grauer Vorzeit halten, und seine Frau, die sich nur noch mit einer Ohrfeige zu helfen weiß, vom historisch letztlich nicht gerechtfertigten Starrsinn des Alten genervt, sondern auch die Zuschauer.

Weil Churchill aber vielen als größter Brite aller Zeiten gilt und der Regisseur diese Einschätzung offenbar teilt, kann es dabei nicht bleiben. Die Intervention aus dem einfachen Volk, die seine Wandlung vom zaudernden Grantler zum Anpeitscher der Nation einleitet, fällt freilich so aufgesetzt pathetisch aus, dass dem Film vollends jede künstlerische und historische Relevanz abhanden kommt.

Diese sieben Tage reichen nicht im Geringsten, um ein angemessenes Churchill-Bild zu zeichnen.

Zum Artikel

Erstellt:
10.04.2017, 10:16 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 11sec
zuletzt aktualisiert: 10.04.2017, 10:16 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport