Stuttgart

Schlappe für Südwest-CDU und SPD

In Baden-Württemberg ist die CDU trotz massiver Einbußen bei der Bundestagswahl als stärkste Kraft hervorgegangen.

24.09.2017

Von dpa/lsw

CDU-Landesvorsitzender Thomas Strobl. Foto: Patrick Seeger/Archiv dpa/lsw

CDU-Landesvorsitzender Thomas Strobl. Foto: Patrick Seeger/Archiv dpa/lsw

Stuttgart. Sie holte alle 38 Direktmandate im Südwesten, wie die Landeswahlleitung am Sonntag mitteilte. Nach vorläufigem amtlichen Endergebnis erhielt die CDU 34,4 Prozent der Stimmen - aber mit dramatischen Verlusten im Vergleich zu 2013. Laut Landeswahlleitung verlor die CDU 11,3 Prozentpunkte (2013: 45,7 Prozent). Das Ergebnis war so wie das bisher schlechteste der Partei 2009 (34,4 Prozent).

Die Südwest-SPD als zweitstärkste Kraft brach weiter ein und erhielt mit 16,4 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis überhaupt nach 2009 (19,3 Prozent). Die im Land regierenden Grünen legten um 2,5 Prozentpunkte zu und kamen auf 13,5 Prozent. Die FDP konnte ihr Ergebnis von 2013 um 6,5 Prozentpunkte mehr als verdoppeln auf 12,7 Prozent (2013: 6,2).

Die AfD landete als fünfte Kraft bei 12,2 Prozent der Stimmen - nach 5,2 Prozent im Jahr 2013. Die Rechtspopulisten legten demnach so stark zu wie keine andere Partei. Das war ein Plus von 7 Prozentpunkten im Vergleich zu 2013. Die Linke kam auf 6,4 Prozent (2013: 4,8). Die Wahlbeteiligung lag bei 78,3 Prozent der Stimmen, ein Plus von 4 Prozentpunkten im Vergleich zu 2013 (74,3).

Die Südwest-Parteien wollen an diesem Montag über das Ergebnis beraten. Ernsthaft besorgt zeigte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) über den Einzug der AfD in den Bundestag. Dies sei ein tiefer Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte, sagte er in Stuttgart. «Das beunruhigt mich und macht mir Sorgen.» Im SWR-Fernsehen sprach er von einem «Schock» über das Abschneiden der AfD, die eine «rechtspopulistische, ja auch zum Teil rechtsradikale Partei» sei. Dem ZDF sagte Kretschmann: «Dort, wo die AfD völkisch-rassistisch wird, müssen wir ihnen entgegentreten.»

Dagegen meinte AfD-Landtagsfraktionschef Jörg Meuthen, dass die Partei eine konstruktive und harte Oppositionskraft sein wolle. «Krawall ist für uns keine Kategorie, wir wollen eine sehr harte, deutliche Opposition machen. Die hat dieses Land auch bitter nötig, denn die hat dieses Land bis jetzt nicht gehabt», sagte Meuthen in der «Berliner Runde» von ARD und ZDF, in der die Vertreter der Parteien das Ergebnis der Bundestagswahl diskutierten.

Die AfD beklage massive Rechtsbrüche der Regierung in der Migrations- und Europapolitik, sagte Meuthen. Wer regiert, werde sich warm anziehen müssen. Ähnlich äußerte sich die Spitzenkandidatin im Land und im Bund, Alice Weidel. Sie kam in ihrem Wahlkreis Bodensee auf 10,4 Prozent der Stimmen.

Kretschmann sagte, er sei mit dem Abschneiden der Grünen zufrieden. Er sprach von einem respektablen Ergebnis. Der Grünen-Politiker zeigte sich grundsätzlich offen für eine mögliche Koalition mit der CDU in Berlin. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Gesprächen auffordere, werde man sie ernsthaft führen. «Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst», betonte der Regierungschef in Stuttgart. Man werde keineswegs «irgendwelche Scheingespräche» führen. Die Grünen seien «nicht die Spielmacher», aber bereit zu Kompromissen. Grünen-Bundeschef Cem Özdemir verfehlte das Direktmandat im Wahlkreis Stuttgart I knapp. Sieger war Stefan Kaufmann von der CDU.

Der baden-württembergische CDU-Chef und Innenminister Thomas Strobl sieht trotz der Schlappe einen klaren Regierungsauftrag für die Unionsparteien. «Wir sind nach wie vor mit weitem Abstand die stärkste Partei, aber das ist ein Ergebnis, das uns nicht zufrieden macht», sagte er im SWR-Fernsehen. Das Ergebnis müsse der ganzen Partei zu denken geben. Aus seiner Sicht könne es jetzt aber nicht einfach so mit der großen Koalition weitergehen. Es müsse Gespräche mit der FDP und den Grünen geben - für ein Jamaika-Bündnis. Nicht zuletzt im Südwesten wolle die Partei das Ergebnis genau anschauen. «Auch für die CDU in Baden-Württemberg ist es kein Ergebnis, das wir uns erwünscht haben.»

Freudentaumel gab es dagegen bei der FDP, die das Ergebnis auch für eine Abrechnung im Land nutzte. FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach von einem «sensationellen» Ergebnis. Das Stammland der FDP habe zu alter Stärke gefunden. Rülke sah in dem Ergebnis auch ein «klares Indiz» dafür, wie unzulänglich die CDU in der Landesregierung gearbeitet habe. «Jetzt bekommt sie die Quittung (...) für ihre schwache, indiskutable Leistung in Baden-Württemberg und wird auf heftige Weise abgestraft.»

FDP-Landeschef Michael Theurer äußerte sich verhalten zu einer möglichen Jamaika-Koalition seiner Partei auf Bundesebene mit der Union und den Grünen. Es sei zu früh, um über eine Regierungsbildung zu sprechen. Theurer verwies auf inhaltliche Differenzen zu den Grünen und nannte als Beispiel das von der Ökopartei geplante «Verbot des Verbrennungsmotors». Das sei mit den Liberalen nicht zu machen. Die Grünen wollen in Deutschland ab 2030 keine Autos mit Diesel- und Benzinmotor mehr neu zulassen.

Den Wahlerfolg der AfD kommentierte am Abend der Politologe Michael Wehner: Eine Doppelstrategie der Union zwischen einer liberalen und einer restriktiven Flüchtlingspolitik habe beim Wähler nicht verfangen. «Davon haben sie sich abgewandt und dann das Original gewählt - die AfD», sagte der Experte von der Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg der Deutschen Presse-Agentur.

Landesweit konnten rund 7,7 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimmzettel für die Bundestagswahl abgeben. Viele nutzten die Briefwahl. In Baden-Württemberg bewarben sich insgesamt 587 Frauen und Männer um ein Bundestagsmandat. Für die CDU sitzen derzeit 43 Politiker aus dem Südwesten im Parlament. Von der SPD sind es bislang 20, von den Grünen 10 und von den Linken 5. AfD und FDP waren nicht im Bundestag vertreten. Das vorläufige amtliche Endergebnis der Bundestagswahl für den Südwesten sollte am späten Abend vorliegen.

CDU-Landesvorsitzender Thomas Strobl. Foto: Patrick Seeger/Archiv dpa/lsw

CDU-Landesvorsitzender Thomas Strobl. Foto: Patrick Seeger/Archiv dpa/lsw

Zum Dossier: Wahlabend

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Erstellt:
24.09.2017, 19:11 Uhr
Aktualisiert:
25.09.2017, 00:43 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 44sec
zuletzt aktualisiert: 25.09.2017, 00:43 Uhr

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