Aufzug ist die einzige Lösung

Bundestagsabgeordnete Annette Widmann-Mauz fordert von der Bahn Verlässlichkeit

Die einzig realistische Möglichkeit eines barrierefreien Zugangs zum zweiten Gleis in Ergenzingen wäre der Anbau von Aufzügen an den bestehenden Übergang. Bei einem Ortstermin versprach Bundestagsabgeordnete Annette Widmann-Mauz gestern Unterstützung.

28.07.2016

Von Dunja Bernhard

Die Barrieren beginnen am Ergenzinger Bahnhof schon vor dem Steg, der über 84 Stufen zum zweiten Gleis führt. Wasserrinnen und grobkörniger Splitt erschweren Rollstuhlfahrern (im Bild Andreas Braun) das Vorwärtskommen. Annette Widmann-Mauz, MdB, informierte sich gestern vor Ort. Bild: Bernhard

Die Barrieren beginnen am Ergenzinger Bahnhof schon vor dem Steg, der über 84 Stufen zum zweiten Gleis führt. Wasserrinnen und grobkörniger Splitt erschweren Rollstuhlfahrern (im Bild Andreas Braun) das Vorwärtskommen. Annette Widmann-Mauz, MdB, informierte sich gestern vor Ort. Bild: Bernhard

Ergenzingen. Die „Winfried-Löffler-Steg“ genannte Überführung am Ergenzinger Bahnhof wurde in den 1980er-Jahren gebaut. Mit 84 Stufen und steilen, schmalen Rampen ist sie für Menschen, „die nicht im Vollbesitz ihrer körperlichen Kräfte oder die mit Kinderwagen oder schweren Koffern unterwegs sind, kaum überwindbar“, wie Stadtrat Emanuel Peter gestern formulierte. Seit Jahren fordern Ergenzinger Bürger, der Kreisbehindertenbeauftragte Willi Rudolf und Vertreter des Sozialverbandes VdK einen barrierefreien Umbau des Bahnhofs.

Gestern schaute sich die CDU-Bundestagsabgeordnete, Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz, die Situation vor Ort an. Ortsvorsteher Reinhold Baur berichtete, was Vertreter der Deutschen Bahn in der vorigen Woche zum Thema barrierefreier Ausbau des Ergenzinger Bahnhofs gesagt hatten: Bei weniger als 1000 Fahrgästen pro Tag sei die Bahn nicht zum barrierefreien Ausbau verpflichtet. In Ergenzingen sind es rund 350 Gäste. Als Ausweichbahnhöfe seien Bondorf und Eutingen genannt worden, die gerade mit Aufzügen barrierefrei umgebaut werden.

Widmann-Mauz zeigte sich von der Aussage der Bahn überrascht. Beim Förderprogramm für den Ausbau kleiner Bahnhöfe habe das Land nach ihren Informationen Ergenzingen nicht vorgeschlagen, weil die Bahn signalisiert habe, dass der barrierefreie Umbau zusammen mit der Anhebung der Bahnsteige erfolgen könne.

Ab dem Fahrplanwechsel 2017/18 sollen auf der Gäubahn doppelstöckige IC-Züge eingesetzt werden. Für einen stufenlosen Ausstieg ist eine Anhebung der Bahnsteige nötig. Bezüglich des Zugangs zu Gleis 2 sagte Rottenburgs Oberbürgermeister Stephan Neher: „Die Bahn plant den barrierefreien Ausbau, aber sie setzt es nicht um.“

Baur stellte drei Umbau-Varianten vor, von denen nur eine ohne Aufzüge auskommt: ein Neubau von zwei Außenbahnsteigen bei der Eisenbahnunterführung Kirchholzstraße. Die Unterführung könnte dann zur Unterquerung der Gleise genutzt werden. Um den Höhenunterschied zwischen Unterführung und Gleisen zu überwinden, wären jedoch aufwendige Treppen- und Rampenbauten nötig, erläuterte Baur. Die Kosten hierfür werden auf 4,3 Millionen Euro geschätzt. Die Folgekosten wären jedoch niedrig, da keine Wartungskosten für Aufzüge anfallen würden.

Eine andere Möglichkeit wäre ein Außenbahnsteig am Gleis 2. Da aber niemand den mehr als einen Kilometer langen Weg durch die Bahnunterführung zum Bahnhofsvorplatz, Parkplatz und zur Bushaltestelle nehmen würde, müsste dafür der „Winfried-Löffler-Steg“ verlängert werden. „Da traut sich keiner so richtig ran“, sagte Baur. Auch für diese Lösung wären Aufzüge nötig. Kosten: rund 2,3 Millionen Euro (ohne Aufzüge).

Mit Aufzügen, ohne große Neubauten, könnte auch die jetzige Situation mit Haus- und Mittelbahnsteig barrierefrei umgestaltet werden. Die Bahnsteigbreite reiche dafür aus, sagte Baur. Die Bahn lehne es aber ab, bei der Erhöhung der Bahnsteige gleich die Fundamente für die Aufzüge mitzubauen, so lange nicht klar ist, wer die Anschaffungs- und Wartungskosten trägt. Er habe jedoch zumindest erreicht, dass Leerrohre eingelegt werden, dass der Bahnsteig nicht wieder aufgegraben werden muss, wenn zu einem späteren Zeitpunkt Aufzüge kommen.

Die dritte Möglichkeit wäre, die Aufzüge gleichzeitig mit dem Bahnsteigumbau zu realisieren. Dabei müsste die Stadt die Kosten übernehmen. Zwei Aufzüge kosten rund 800000 Euro. Zuschüsse in Höhe von 150000 Euro wären zu erwarten, sagte Baur. Zusätzlich wäre mit Wartungskosten von 15000 Euro im Jahr zu rechnen.

Eine verlässliche Variante seien Aufzüge nicht, sagte Widmann-Mauz, da sie immer mal wieder ausfallen würden. Dennoch erschien allen Beteiligten die letztgenannte Lösung die einzig umsetzbare – auch angesichts der Kosten, die bei rund 1,4 Millionen Euro liegen (ohne Aufzüge). Sie wolle die Stadt bei den Verhandlungen mit der Bahn unterstützen, sagte die Bundestagsabgeordnete. Ziel der Stadt ist, dass die Bahn die Kosten für die Fundamente und die Aufzugswartung übernimmt. Baur sagte: „Das Ding ist bisher Bahnanlage, das sollte auch Bahnanlage bleiben.“ Die Stadt gebe nur Geld dazu.

Widmann-Mauz sagte zu, sich für einen Termin mit Vertretern der Bahn und der Stadt einzusetzen. Sie lasse sich nicht gern mit Ankündigungen abspeisen, die später nicht eingehalten werden, „Ich bleibe dran.“

Nachbessern bei der Barrierefreiheit muss die Stadt auch beim Zugang zum Bahnhofsgebäude, das als Veranstaltungsort und Vereinsheim genutzt wird. Das denkmalgeschützte Haus hat vor dem Vordereingang einige Stufen. Der ebenerdige Zugang von der Rückseite hat jedoch auch zwei unauffällige Absätze, die Rollstuhlfahrer Andreas Braun ohne Hilfe nicht überwinden konnte.

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Erstellt:
28.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 07sec
zuletzt aktualisiert: 28.07.2016, 01:00 Uhr

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