Thomas Manns Roman als elegantes Kostüm- und Ausstattungskino: schön anzuschauen, aber ohne gesellschaftliche Schärfe.

Buddenbrooks

Thomas Manns Roman als elegantes Kostüm- und Ausstattungskino: schön anzuschauen, aber ohne gesellschaftliche Schärfe.

23.11.2015

Von Petra Kollross

Die Gassen sind schmal, das Treiben wuselig, und mittendrin liefern sich die Kinder der reichen Lübecker Kaufleute Buddenbrook und Hagenström auf dem holprigen und abschüssigen Pflaster ein Leiterwagenrennen. So beginnt Heinrich Breloers Film "Buddenbrooks " - mit einem ungestümen Hurra dieser dann lebenslangen Konkurrenten. Etwa zwei Kinostunden später sprengen Thomas Buddenbrook und Hermann Hagenström mit ihren Pferdekutschen an dem Kornfeld entlang, dessen Erwerb sich als ein fataler Fehler des Kaufmanns Buddenbrook erweisen wird. Ein Wettrennen wie einst, bei dem noch einmal jugendliche Lebenslust aufflammt.

Lebensfreude und das persönliche Glück - das sind die Dinge, die in der Geschichte der Patrizierfamilie Buddenbrook hintangestellt werden zugunsten des Geschäftserfolgs und der gesellschaftlichen Position. Thomas Mann arbeitet diesen besonders für die Jüngeren spürbaren Konflikt in seinem Weltliteratur-Roman über vier Generationen hinweg und vor dem Hintergrund der sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts heraus, lässt die Dynastie an den Anstrengungen dieses Opfers untergehen, gerade da sich neue Märkte in Europa und Übersee öffnen.

Heinrich Breloer, der durch seinen Fernseh-Mehrteiler über die Familie Mann als der Mann-Spezialist unter den Regisseuren gilt, konzentriert sich bei seiner Roman-Verfilmung auf die Personen, entfaltet mit den inspirierten Schauspielern Mark Waschke, August Diehl und Jessica Schwarz die Lebensporträts der ungleichen Geschwister Thomas, Christian und Tony Buddenbrook. Das zeitliche Umfeld scheint am Rande oder kurz einmal auf, etwa wenn tumbe 1848er-Revolutionäre mit ihren Fahnen ins Lübecker Rathaus hereinpoltern und Konsul Buddenbrook den Haufen auf Plattdeutsch der Heiterkeit preisgibt.

Diese enge Sicht auf persönliche Schicksale mag der Fernsehtauglichkeit des Films geschuldet sein; die ARD-Sender waren Partner bei der Finanzierung des 16-Millionen-Projekts. Wenn - in TV-Talkshows - in den letzten Wochen immer wieder von einer geradezu unheimlichen Aktualität gesprochen wurde, die der historische Roman und natürlich seine Verfilmung angesichts der weltweiten Finanzkrise jetzt bekommen habe, so ist das bloße Behauptung. Einmal, ja, da drängen und spekulieren die Herren mit ihren schwarzen Zylindern an der Getreidebörse herum und wirken wie die Krähen, Boten kollektiven Unheils. Im Ganzen aber sieht man, umgekehrt wie in der Realität von heute, nur am Individuum bewahrheitet, dass Geldvermehren nicht der Sinn des Lebens sein kann. Anderen, die Fortune haben, vor allem Hagenström, geht es nämlich blendend dabei. Die Zustände sind also gar nicht vergleichbar.

Nein, Breloers "Buddenbrooks "-Film, das aufwendigste Unternehmen der Produktionsfirma Bavaria seit "Das Boot ", ist nicht für den Kopf, aber für die Augen gemacht. Was gibt es nicht alles zu sehen an Ausstattungspracht in den Ballszenen, an feinen Möbeln, detailgenauen Kostümen, komplizierten Frisuren. Oder an Unwettern mit mächtig Blitz, Donner und Sturm, während denen stets Entscheidendes geschieht: die junge Tony ihren Morton küsst, den sie dann lassen muss, der Konsul stirbt, das Korn verdirbt.

Und auch die beiden Publikumslieblinge Armin Mueller-Stahl und Iris Berben als Elternpaar sind Figuren mehr zum Anschauen denn zum Verstehen. Jean Buddenbrook, den Mueller-Stahl mit routinierter Eleganz gibt, fehlt dazu die Vorgängergeneration, die im Film nicht vorkommt, der Konsulin ihre Betätigung als Frömmigkeitsfanatikerin. So spielt die Berben eine Dame ohne eigenen Wesenszug, die meistens mit ineinandergelegten Händen über Treppen wandelt.

Das große Haus, dem sie vorsteht, wirkt oftmals optisch eng, wie auch die Straßen von Lübeck. Will sagen: Nur die alte Hansestadt, in die auch die Ausbrecher Christian und Tony immer wieder zurückkehren, ist die Welt der Buddenbrooks - das wird in neuen Zeiten nicht reichen. Überhaupt zaubert Kameramann Gernot Roll vielfach sprechende Bilder. Er liefert den eigentlichen künstlerischen Hauptbeitrag des Films. Das konventionelle Konzept Breloers setzt voll auf diese Bebilderung der Geschichte, die somit an der Oberfläche entlang erzählt wird und ganz gewiss nicht weh tut.

Buddenbrooks