Vorsorge

Betreuung mit oder ohne staatliche Kontrolle

Wer krank ist oder eine Behinderung hat, will sicher gehen, dass seine Angelegenheiten dem eigenen Willen entsprechend geregelt werden. Kompetente Beratung zu solchen oft existenziellen Fragen bietet der Tübinger Betreuungsverein an.

27.12.2016

Von Philipp Koebnik

Von heute auf morgen kann es passieren: Ein Unfall, eine Erkrankung, eine Behinderung führt dazu, dass ein Erwachsener wichtige Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Was viele nicht wissen: In einer solchen Situation übernehmen der Ehepartner oder Kinder keineswegs automatisch die rechtliche Vertretung. Um im Falle eines Falles die eigenen Interessen zu wahren und notwendige Dinge schnell geregelt zu bekommen, sollten deshalb vorher Verantwortliche bestimmt werden.

Vorsorgevollmacht, Generalvollmacht, Betreuungsverfügung – lauter sperrige Begriffe, die nicht gerade Klarheit erzeugen. Hinzu kommt, dass kaum jemand darüber nachdenken mag, was alles Schlimmes geschehen könnte und wie es dann weitergehen soll. Das kann fatale Folgen haben, denn das Thema geht alle an, auch die Jüngeren.

Gleichwohl haben es Geschäftsführerin Sabine Hübel und ihre Kolleginnen vom Betreuungsverein Landkreis Tübingen meist mit Älteren zu tun. Um sich beraten zu lassen, ist beispielsweise Gertrud Müller kürzlich in die Geschäftsstelle des Vereins im Schleifmühleweg 3b gekommen. Sie hat einige Unterlagen mitgebracht. Eine Betreuungsverfügung hat Müller bereits. Sie fragt sich allerdings, ob eine ergänzende Vollmacht sinnvoll wäre. Die 75-Jährige ist körperlich und geistig fit. Aber Vorsorge ist besser als Nachsorge, findet sie.

„Was wir hier nicht machen, ist Rechtsberatung“, stellt Hübel gleich zu Beginn klar. „Dafür sollten Sie sich an einen Anwalt oder einen Notar wenden.“ Als nächstes erklärt sie der Klientin, was der Unterschied zwischen einer Vorsorgevollmacht und einer Betreuungsverfügung ist. Bei letzterer nennt man eine Person, von der man – etwa im Falle einer Demenzerkrankung – betreut werden möchte. Zugleich kann man festlegen, wem man diese Aufgabe nicht erteilen will. „Das ist oft sogar das Wichtigste“, berichtet Hübel.

Ein bestellter Betreuer regelt zum Beispiel finanzielle Angelegenheiten. Dabei kann er jedoch nicht alles alleine entscheiden. Zum Teil muss er Rücksprache halten mit dem Betreuungsgericht und einmal jährlich detailliert über die Regelung der Finanzen berichten. Bei einer Betreuungsverfügung hat man also gewissermaßen „den Staat mit im Boot“, sagt Hübel. Das Gericht ist es auch, das einen Betreuer vorschlägt und bestimmt – mit Einverständnis des Betreuten.

Im Unterschied dazu ist eine Vollmacht ein privatrechtlicher Vertrag zwischen zwei Personen: dem Bevollmächtigten und dem Vollmachtgeber. Eine Vollmacht sollte deshalb „so detailliert wie möglich“ abgefasst werden, rät Hübel ihrer Klientin. Nur so können Zweifel ausgeräumt und Streitigkeiten vermieden werden, was die Zuständigkeiten des Bevollmächtigten angeht. Die entscheidende Frage, die man sich stellen muss: „Habe ich so viel Vertrauen zu der Person, dass ich glaube, sie wird in meinem Sinne entscheiden?“ Falls ja, so Hübel, könne der Staat „draußen bleiben“.

Reicht das Vertrauen nicht für eine Generalvollmacht, so können lediglich bestimmte Bereiche per Vollmacht „abgegeben“ werden, zum Beispiel Angelegenheiten der Gesundheitssorge. Umgekehrt können bestimmte Dinge von der Vollmacht ausgenommen werden, etwa Vermögens- oder postalische Angelegenheiten. So will es Müller machen: Die von ihr bevollmächtigte Person soll darüber entscheiden dürfen, wann lebensverlängernde Maßnahmen beendet oder freiheitsentziehende wie ein Bettgitter angeordnet werden sollen. Finanzielle Entscheidungen möchte Müller ihr hingegen nicht überantworten. Dafür wünscht sie sich, wenn nötig, eine Betreuung mit staatlicher Kontrolle.

Ob es eine Vollmacht oder Betreuungsverfügung gibt, erfahren Gerichte – und darüber die Ärzte und die Verwandten – im Ernstfall von der Bundesnotarkammer, die ein zentrales Register führt.

„Eine Vollmacht hat stets Vorrang vor einer Betreuungsverfügung“, erklärt Hübel. Wer will, kann auch mehrere Personen als Bevollmächtigte oder als Betreuer wünschen und die Aufgabenbereiche aufteilen. Hübel empfiehlt darüber hinaus, eine Vollmacht notariell beglaubigen zu lassen, um ihr höheres Gewicht zu verleihen.

Müller bedankt sich für die gut einstündige Beratung, als Hübel ihr noch einen Tipp mit auf den Weg gibt: „Sie sollten die Unterlagen regelmäßig aktualisieren, denn je aktueller die Angaben, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie Ihrem Willen entsprechen.“

Neben Beratung bietet der Verein Vorträge an zum Thema Vollmacht und Betreuungsverfügung – der nächste ist am 18. Januar, 16 Uhr, im Kinder- und Jugendbüro des Herrlesbergtreffs (Stäudach 88).