Zocken, bis es wehtut

Besuch in der Gamezone des Trickfilmfestivals

Das Trickfilmfestival sprengt die Grenzen der Unterhaltung: In der „Gamezone“ werden Verlierer mit Peitschenhieben bestraft.

05.05.2017

Von CAROLINE HOLOWIECKI

Gute Miene zum schmerzhaften Spiel: In der „Gamezone“ müssen Verlierer fühlen. Über die Platte, auf die die Teilnehmer ihre Hand legen, werden Elektroschocks und Hitze abgesondert. Eine kleine Peitsche geißelt die Hand. Foto: Ferdinando Iannone

Gute Miene zum schmerzhaften Spiel: In der „Gamezone“ müssen Verlierer fühlen. Über die Platte, auf die die Teilnehmer ihre Hand legen, werden Elektroschocks und Hitze abgesondert. Eine kleine Peitsche geißelt die Hand. Foto: Ferdinando Iannone

Stuttgart. Wer verliert, kriegt eine gewischt. So ist das Prinzip an der „Painstation“, der „Schmerzstation“. Ein simples Tennis-Computerspiel, bei dem man einen virtuellen Ball hin- und herspielt. Wer einen Fehler begeht, bekommt Peitschenhiebe, Elektroschocks oder die Hitze einer kleinen Herdplatte zu spüren, auf die man seine Hand legen muss. Eigentlich eine Sauerei, aber in der „Gamezone“ auf dem 24. Internationalen Tickfilmfestival in Stuttgart (ITFS) ist die „Painstation“ der Hit. Und dies nicht nur, weil der fiese Automat eigentlich eine Kunstinstallation ist, die bereits im New Yorker Museum of Modern Art die Massen begeisterte. „Beim ersten Mal erschrecken die Leute, aber dann wollen sie noch einmal, und es entstehen richtige Wettbewerbe und Mutproben“, sagt Samuel Hack, Student an der Hochschule der Medien (HDM). Der High Score liegt bei 609 Bestrafungen.

Zocken, bis es wehtut, heißt es in der 2000 Quadratmeter großen „Gamezone“ im Kunstgebäude am Schlossplatz. Videospiele, Installationen, virtuelle Realitäten locken nach Schulschluss vor allem Jugendliche an. 65 Studenten sorgen dafür, dass die Teenys an den Geräten keine Wurzeln schlagen, erklärt Sabiha Ghellal, Professorin an der HDM und Kuratorin der interaktiven Ausstellung, viele Fans muss man trotzdem abends mit dem Besen rauskehren, bestätigt ihr Kollege Stephan Schwingeler. In unterschiedlichen Räumen kann man mit dem HDM-Team, aber auch Experten der Filmakademie Ludwigsburg oder der Zürcher Hochschule der Künste in Traumwelten eintauchen, virtuell mit dem Gleitschirm abheben, sein Spiegelbild verfälschen oder sich bei politischen Spielen über Ausbeutung und Kinderarbeit informieren. Es geht um Medienkompetenz, um Ästhetik, um Branchenneuheiten und Workshops. Ein Angebot für alle, betont Sabiha Ghellal. „Kids stürmen einfach drauf und sind sehr unbefangen, Rentner sind ebenfalls ein dankbares Publikum. Ich möchte aber auch den Hardcore-Gamer zufriedenstellen.“

Gemäß dem diesjährigen Festival-Motto „Animation without borders“ verschwimmen die Grenzen beim ITFS. Die Veranstaltung wagt sich zunehmend aus den Kinos heraus. Dass viele der mehr als 1000 Animationsfilme unter freiem Himmel gezeigt werden, ist nicht neu. Doch die Figuren springen vielerorts von der Leinwand – und nehmen Bereiche wie das Shoppingcenter Gerber, die Wilhelma und das Mercedes-Benz-Museum ein. „Animation ist überall. Wir öffnen uns für andere Bereiche“, erklärt die Festivalsprecherin Katrin Dietrich.

Eine Klammer ist die Interaktion. Während die Besucher in der „Gamezone“ meist sehr versiert sind, brauchen viele Passanten am Piratenschiff an der Breuninger-Fassade noch Hilfe. Wer sein Handy oder Tablet über den abgebildeten QR-Code mit einer App bespielt, kann Elemente auf dem Schiff zum Leben erwecken und etwas gewinnen. „Augmented reality“ nennt man das Prinzip, nach dem die Wirklichkeit computergestützt um virtuelle Inhalte erweitert wird. Zuletzt gab es mit Pokémon Go einen riesigen Hype, doch nicht jeder scheint sofort die Möglichkeiten auf dem Marktplatz zu erkennen. Wer nicht weiterkommt, erhält von Verena Daniel und Philomena Lambert im ITFS-Zelt Unterstützung. Sie haben auch Leih-Tablets dabei und animieren zum Spiel mit den Animationen. „Das Publikum ist total gemischt. 70-Jährige sind dabei und Kinder. Nachmittags kommen vor allem Familien“, erklärt Verena Daniel.

Bunt ist auch das Publikum im Zentrum des Geschehens, auf dem Schlossplatz, wo täglich Trickfilme gezeigt werden. Viele trotzen dem durchwachsenen Wetter. Janine Göbel etwa ist extra aus Konstanz angereist. Sie studiert Kommunikationsdesign, „und das ist eine Richtung, in die ich später mal gehen möchte“, sagt sie und zeigt zur Leinwand. Viele Filme kostenlos zu zeigen, hält sie für eine „ziemlich coole“ Idee. So fänden auch jene den Zugang zum Festival, die sonst nicht kommen würden.

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Erstellt:
05.05.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 05.05.2017, 06:00 Uhr

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