Im Wohnungsbau große Versäumnisse

Bernhard Strasdeit will als Linker in Landes- und Gesundheitspolitik soziale Projekte voranbringen

In seinem Leben hat Bernhard Strasdeit schon viel gemacht: Personalakten bei Maico geführt, Frischfisch verkauft, für Abgeordnete gearbeitet und auch mal eine Weile Geografie studiert. Jetzt will er für die Linken in den Landtag.

01.03.2016

Von Angelika Bachmann

Tübingen. Schon einmal machte Bernhard Strasdeit als Linken-Kandidat Wahlkampf in Tübingen. Bereits 2011 war er Landtagskandidat. Damals gab es einen klaren Lager-Wahlkampf: Rot-grün trat gegen die schwarz-gelbe Regierung an, sagt Strasdeit und erinnert sich, dass es wesentlich schwieriger gewesen sei, sich als Linker auf den Podien von den Wahlkämpfern der Grünen und der SPD abzusetzen. „Heute haben wir von der Linken mehr Raum“, – bei einem grünen Ministerpräsidenten, der sich in der Flüchtlingspolitik „rechts von Merkel“ positioniere und mit Wirtschaftsminister Nils Schmid, der einen neoliberalen Kurs fahre.

Für das TAGBLATT-Gespräch hat sich Strasdeit als Treffpunkt das Pauline-Krone-Heim ausgesucht, weil sich an diesem Ort manches zeigen lässt. Zum Beispiel wie wichtig ehrenamtliches Engagement ist – etwa im „Café Pauline“, das von Ehrenamtlichen betrieben wird und in dem es täglich zu schönen Begegnungen komme. „Da trifft man dann auch mal acht Heimbewohner, die Karten spielen.“ Zeigen will er aber auch, wie wichtig die Ausbildung und die gesellschaftliche Wertschätzung von Pflegekräften sei. Die Konkurrenz um Alten- und Krankenpflegekräfte werde noch zunehmen. Um sie zu überwinden, müsse man deren Arbeitsbedingungen verbessern. „Viele qualifizierte Kräfte sagen, diesen Job können sie nicht bis zur Rente machen, bei dem Stress!“, sagt Strasdeit, dessen Frau Gerlinde dem Personalrat des Uni-Klinikums angehört.

Eine Forderung der Linken ist deshalb die gesetzliche Pflegebemessung und die Festlegung eines Mindeststandards für die Personalausstattung von Krankenhäusern. „Wir müssen uns als Gesellschaft darüber Gedanken machen, wie wir das Gesundheitssystem als öffentliches Gut für alle erhalten.“ Derzeit sei das Gesundheitssystem unterfinanziert. Das zeige sich nicht nur an den Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte sondern auch an den unzureichenden Budgets, die das Land für den Bau und Unterhalt der Uni-Kliniken zur Verfügung stelle. Die 30 Millionen Euro, die das Tübinger Klinikum dieses und nächstes Jahr für Baumaßnahmen ausgebe, würden aus dem laufenden Betrieb und damit mit Krankenkassenbeiträgen bezahlt. „Eigentlich müssten die Krankenkassen auf die Barrikaden gehen.“

Strasdeit ist Tübinger. Hier ist er aufgewachsen, seine Mutter hatte in der Collegiumsgasse gegenüber dem Wilhelmsstift einen Feinkostladen. Auch der Vater, der starb, als Strasdeit vier Jahre alt war, war im Handel tätig gewesen. Als Grundschüler besuchte er die Uhlandschule, eine „katholische Bekenntnisschule“. Mit der SPD-Kandidatin Dorothea Kliche-Behnke verbindet ihn, dass auch er in seiner Kindheit Ministrant und später in der katholischen Jugend aktiv war.

Wie aus dem politisch sensiblen Jung-Katholiken am Ende ein Linken-Aktivist wurde, ist eine etwas längere Geschichte, die ihren Ausgangspunkt auf dem Schulhof des Kepler-Gymnasiums hat. Es war die Zeit, als an Schulen Politik nicht nur als Schulfach behandelt wurde, sondern man sich sogar noch – heute undenkbar – unterstützt von Lehrern in den Pausen und in Versammlungen die Köpfe heiß diskutiert hat: über den Vietnam-Krieg oder über die Rassentrennung in den USA. Strasdeit gehörte damals einer linken Schülergruppe an.

An der Universität traf Strasdeit, der Ende der 70er Jahre „einen Studienversuch gemacht hat“, auf eine politische Landschaft, die geprägt war durch Auseinandersetzungen der verschiedenen K-Gruppen, die sich nach dem Zerfall des SDS heftig beharkten. Er selbst schloss sich einer maoistischen Gruppe an. „China war Anfang der 70er Jahre mal ein Vorbild. Wir haben damals nicht erkannt, dass die Kulturrevolution auch mit Verbrechen verbunden war.“ Vielen seiner Generation sei im Laufe der Jahre klar geworden, dass das Nicht-Vorhandensein von Demokratie einen Sozialismus verunmögliche. „Das war für mich später ein Grund, der PDS beizutreten – im Sinne eines demokratischen Sozialismus.“

Man könnte sich Strasdeit genausogut als Gewerkschaftssekretär vorstellen. Schließlich ist er gewerkschaftlich engagiert, seit er 25 Jahre alt ist. Wie wichtig eine genaue Kenntnis des Arbeitsrechts sein kann, ist ihm spätestens seit seiner Zeit beim Fahrzeugbauer Maico bewusst. Als Mitarbeiter in der Personalabteilung des Pfäffinger Betriebs habe er einen betrügerischen Konkurs direkt miterlebt. Sollte er doch damals die Gehalts-Überweisungen der Mitarbeiter drei Monate in Folge nicht zur Bank bringen, sondern in den Panzerschrank stecken. Weil die Beschäftigten ab dem dritten Monat keinen Anspruch auf Konkursausgleich – und damit persönliche Verluste – gehabt hätten, habe er zusammen mit den Kollegen der Arbeitsvorbereitung schließlich die IG Metall in den Betrieb geholt.

Als Arbeitgeber habe übrigens auch das Land Baden-Württemberg manches zu verbessern, findet Strasdeit und hat dabei zum Beispiel die Universitäten im Blick. Viele junge Dozenten hangeln sich von Lehrauftrag zu Lehrauftrag und bekommen nur befristete Verträge. „Alles was mit Drittmitteln finanziert ist, bietet keine dauerhafte Perspektive.“

Als eines der wichtigsten Felder und großes Versäumnis der Landespolitik sieht Strasdeit den sozialen Wohnungsbau. Den Verkauf der 21000 Wohnungen der LBBW-Bank 2012 an das private Konsortium Patrizia bezeichnet Strasdeit als „Sündenfall“. Auch in den Folgejahren habe die grün-rote Regierung viel zu wenig getan, um bezahlbare Wohnungen zu schaffen. „Jährlich fallen Tausende von Wohnungen aus der Sozialbindung“, sagt Strasdeit, dessen Partei dafür eintritt, mit einem landesweiten Investitionsprogramm den sozialen Wohnungsbau massiv zu fördern – „jährlich mindestens 50000 Wohnungen“.

Woher das Geld zu nehmen? Eine der Kernforderungen der Linken bleibt, die Vermögenssteuer wieder einzuführen, um eine gerechtere Verteilung des Reichtums zu erhalten. Ab der zweiten Million eine Vermögenssteuer von 5 Prozent bundesweit einzuführen und diese auf Landesebene auszubezahlen würde Baden-Württemberg laut einer Modellrechnung etwa 8 bis 10 Milliarden Euro in die Kasse spülen. Strasdeit: „Dafür könnte man manche Wohnung fördern“.

Die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege müssen verbessert werden, fordert Bernhard Strasdeit, hier vor dem Tübinger Pauline-Krone-Heim. Bild: Sommer

Die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege müssen verbessert werden, fordert Bernhard Strasdeit, hier vor dem Tübinger Pauline-Krone-Heim. Bild: Sommer

Im Video bei tagblatt.de verrät Bernhard Strasdeit, warum es die Linke seiner Meinung nach dieses Mal in den Landtag schaffen muss.

Im Video bei tagblatt.de verrät Bernhard Strasdeit, warum es die Linke seiner Meinung nach dieses Mal in den Landtag schaffen muss.

Kandidaten zur Landtagswahl (5): Bernhard Strasdeit, Linke

1954 geboren in Tübingen. 1973 machte er Abitur am Kepler-Gymnasium. Anschließend leistete er seinen Wehrdienst. Sein Studium der Geografie und Germanistik in Tübingen brach er nach dem Grundstudium ab und machte eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Pfäffinger Fahrzeugfirma Maico, wo er bis zu deren Konkurs in der Personalabteilung arbeitete. Anschließend war er 13 Jahre lang beim Tübinger Fischgroßhändler Seefiko beschäftigt. 1995 wurde Strasdeit Mitarbeiter von Winfried Wolf, dem damals einzigen baden-württembergischen PDS-Bundestagsabgeordneten. Nach dessen Ausscheiden aus dem Bundestag wurde er Mitarbeiter des Europa-Abgeordneten Tobias Pflüger. Seit 2007 ist er Landesgeschäftsführer der Linken. Seit seinem 25. Lebensjahr ist Strasdeit gewerkschaftlich engagiert. Bereits 2011 war er Kandidat der Linken für den Landtag.